Titel: Unter den Linden 6
Autorin: Ann-Sophie Kaiser
Verlag: Ullstein Buchverlage
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 14,99 €
Erscheinungsdatum: 15.06.2020
ISBN:
978-3-550-20060-1
Handlung:
Berlin 1907
Lise, eine junge Wissenschaftlerin der
Physik, will ihr Studium an der Friedrich-Wilhelms-Universität in
Berlin fortsetzen. Sie möchte unter anderem Vorlesungen bei dem
berühmten Max Planck besuchen und hofft insgeheim, dass es ihr
irgendwann möglich sein wird zu promovieren. Den noch ist sowohl
dies, als auch ein Frauenstudium in Preußen verboten...
Die verheiratete Hedwig hat einen
ähnlichen Wunsch. Sie möchte ganz offiziell Geschichtswissenschaft
studieren. Um den Gaststatus zu erhalten, fälscht die junge Frau die
Unterschrift ihres Mannes, denn ohne diese wäre ein Besuch der Uni
gar nicht erst möglich. Hedwig wünscht sich, dass eines Tages jede
Frau ohne Vorbehalte und kritische Stimmen studieren kann.
Die dritte Dame im Bunde ist das
Dienstmädchen Anni. Heimlich liest sie sich durch die Bibliothek
ihres Dienstherrn und sie saugt verschiedene Informationen wie ein
Schwamm auf. Doch es scheint unmöglich, dass sie jemals eine andere
Arbeit ausführen wird und ihren Träumen nachgehen kann.
Obwohl die drei Frauen
unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Wünschen sind,
werden sie zu Freundinnen. Und kämpfen dabei für mehr Rechte und
Freiheiten und vor allem: für ein Recht auf Wissen und Bildung für
ihr Geschlecht!
Meinung:
Meinung:
Einerseits mag ich das Cover, andererseits wieder nicht. Ich mag die zartgrüne Farbe und die weiße Schrift darauf sieht einladend und frühlingshaft aus. Im Hintergrund ist ein staatliches Gebäude zu sehen, vielleicht handelt es sich dabei um einen Gebäudekomplex der Friedrich-Wilhelms-Universität? Diese Komponenten finde ich gelungen und sie gefallen mir.
Mich stören ein wenig die drei Damen,
die abgebildet sind. Ja, sie mögen zwar für Hedwig, Lise und Anni
stehen, aber sie bringen Unruhe herein. Und ganz besonders stört es
mich, dass der Kopf der obersten Frau einfach abgeschnitten ist und
sie nur halb zu sehen ist. Das zerstört für mich die Ästhetik und
macht das Cover nicht rund...
Wie so oft habe ich auch diesen Roman
in der Vorschau gesehen und er wanderte direkt auf meine Wunschliste.
Die Handlung klingt spannend, zudem lese ich immer wieder gerne von
starken Frauen, die ihren Wünschen nachgehen und sich für ihre
Rechte einsetzen. Somit passt dieses Buch genau in mein Beuteschema
und ich habe mich sehr auf den Erscheinungstermin gefreut.
Wie schon neulich für den zweiten Teil
von Corina Bomanns „Die Farben der Schönheit“ Reihe, bin ich
auch diesmal extra munter geblieben, um mir sicher ein Exemplar bei
Vorablesen mit Punkten zu sichern. Und das war es eindeutig wert!
Im Grunde war die Sprache durchweg
einfach und locker gehalten. Es gibt nur wenige Fachbegriffe und
diese tauchen stets im Zusammenhang mit der Physik auf. Dadurch kommt
ein wenig Anspruch herein, es gibt ab und an mal eine Szene, in der
bestimmte Zusammenhänge genauer erklärt werden. Das fand meist mit
leichten Worten statt, sodass man auch als Laie versteht, was gerade
besprochen oder beschrieben wird. Zudem tauchen diese Szenen nicht zu
häufig auf und nehmen somit keinen zu großen Raum ein.
Insgesamt wird die Handlung recht
lebendig, aber auch mit Abstand zum Geschehen beschrieben. Ich hatte
stets eine gewisse Distanz zu den Ereignissen und es kam nur selten
vor, dass sich die Stimmungen der Protagonisten auch nur ansatzweise
auf mich übertragen haben. Trotzdem hat das meinem Lesefluss keinen
Abbruch getan und ich habe das Buch gerne in die Hand genommen und es
innerhalb von vielleicht vier Tagen ausgelesen gehabt.
Für mich hielt die Handlung jede Menge
Überraschungen parat. Ich habe oft Tendenzen gehabt, in welche
Richtung sich Beziehungen, berufliche Aussichten und weiteres
entwickeln könnten, doch am Ende lag ich häufig falsch mit meinen
Überlegungen. Immer wieder konnte die Geschichte mit neuen Wendungen
aufwarten, die es nur schwer möglich machen, in die Zukunft zu
schauen. So wird nichts von der Handlung vorweggenommen und der Roman
blieb stets spannend.
Es lässt sich schon beim durchlesen
der Inhaltsangabe erkennen: das Buch wird unterteilt in drei
Erzählperspektiven. Jede der drei Frauen kommt abwechselnd zu Wort
und man erhält einige Informationen darüber, was sie denken und was
bei ihnen im Leben gerade passiert. Dabei werden die Ereignisse von
einem allwissenden Erzähler beschrieben und man wahrt eine gewisse
Distanz zu den Damen. Ab und an behält der Erzähler Geheimnisse
eine ganze Zeit lang für sich und deutet lediglich immer wieder
darauf hin. So ist es möglich, sich bereits einige Gedanken darüber
zu machen und zu spekulieren, bevor Heimlichkeiten schließlich ans
Licht kommen.
Ich fand diese Art der Erzählung sehr
angenehm, man kann jede Frau kennenlernen und sich einen Eindruck von
ihr machen. Zudem gibt es immer genügend Informationen, sodass es
mir nie langweilig wurde, das Ende aber auch nicht vorhersehbar war.
Oft passiert dann doch etwas überraschendes und auf diese Weise
kommt neuer Schwung in die Geschichte.
Im Roman gibt es eine Einheit des
Ortes, zumindest aus heutiger Sicht: jede einzelne Szene findet in
Berlin statt. Zur Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg war noch nicht
jeder Ortsteil eingemeindet und war noch ein eigenständiger Bezirk.
Ich bin der Meinung, dass auf das
Setting ein nicht ganz so großer Wert gelegt wurde. Die Prioritäten
lagen an anderen Stellen, was ich absolut in Ordnung finde. Wichtige
oder häufiger auftauchende Orte konnte ich mir gut vorstellen. Die
anderen Örtlichkeiten waren eindeutig zweitrangig und ich war mit
der kurzen und einfachen Beschreibung vollkommen zufrieden. Ein
größerer Fokus lag deutlich auf wahren historischen Begebenheiten,
den Rechten der Frauen und der Charakterzeichnung.
Obwohl die Protagonisten verschiedene
Emotionen durchlaufen und so unterschiedliche Stimmungen entstehen,
haben sich diese nicht auf mich übertragen. An keiner Stelle im
Roman habe ich mit irgendjemanden mitgefiebert, mich groß mitgefreut
oder war mit ihnen zusammen traurig. Auf mich ist der Funke einfach
nicht übergesprungen und ich behielt stets eine gewisse Distanz.
Sowohl zu den Protagonisten, als auch zu den Geschehnissen im Roman.
Das fand ich sehr schade, gerade weil mir die drei Damen Hedwig, Anni
und Lise sehr sympathisch waren und ich sie mitreißend lebendig und
bodenständig empfand. Es hätte dem Roman noch die Krone aufgesetzt,
wenn einige stimmungsreiche Szenen bei gewesen wären. Einfach um die
Distanz zu überbrücken und den Leser noch mehr in die Handlung
einzubeziehen.
Ich muss zugeben, dass ich positiv
überrascht bin, wie viele historische Details und Aussagen mit
Wahrheitsgehalt in dem Roman untergebracht wurden. Nicht nur anhand
von Persönlichkeiten, die in verschiedenen naturwissenschaftlichen
Gebieten geforscht haben, sondern auch durch die Beschreibungen
diverser physikalischer Vorgänge. Allein diese Einbindung hat mir
gefallen und ich hatte dadurch das Gefühl, dass die verschiedenen
Schicksale noch lebendiger erscheinen.
Komplett überrascht war ich dann von
der Tatsache, dass eine der drei Hauptprotagonistinnen, Lise Meitner,
tatsächlich gelebt hat und große Erfolge auf dem Gebiet der
Kernphysik verzeichnen konnte. Ich fand es faszinierend zu sehen, wie
die junge Frau ihren Weg geht und sich von nichts und niemanden
aufhalten lässt. Es hat mir richtig gut gefallen, dass sie
eingebunden wurde und man beim Lesen nicht nur die Geschichten
starker Frauen kennenlernt, sondern diese in einem Fall auf der
Wahrheit beruhen!
Wie ich gerade schon angedeutet habe,
gefällt mir die Darstellung der drei Hauptprotagonistinnen. Und auch
die anderen Charaktere, die eine deutlich untergeordnete Rolle
spielen und nicht ganz so stark gezeichnet sind, wie die drei Damen,
fand ich angenehm. Ich bin mit dem Auftreten vollkommen zufrieden und
finde es interessant, wie manche Charaktere täuschen können, wie
sich andere weiterentwickeln und manche nur wenig einsichtig sind. Es
entsteht auf diese Weise ein breites Bild der Bevölkerung, was mich
vollkommen überzeugt hat.
Und auch Hedwig, Lise und Anni hatten
komplett unterschiedliche Charaktere und Wünsche. Ich fand es toll
zu sehen, wie unter den unterschiedlichen Frauen eine Freundschaft
entstand und sie sich stets umeinander gesorgt haben. So wird auch
gezeigt, dass es vollkommen unwichtig ist, welcher gesellschaftlichen
Schicht man angehört, ob man Dienstmädchen oder die Tochter von
reichen Eltern ist. Am Ende kommt es auf den Charakter an und alles
andere spielt eine
keine Rolle.
Mir haben die drei Damen in ihrer Art
gefallen, ich bin ihnen gerne durch ein Kapitel ihres Lebens gefolgt
und empfand sie als sympathisch. Auch sie hatten ihre Macken und
haben Fehlentscheidungen getroffen und nicht jede Aussage und
Handlung hat mir gefallen. Sie hatten aber das Herz am rechten Fleck,
was am Ende das Wichtigste ist.
Fazit:
Ich bin mehr als froh, den Roman
gelesen zu haben. Bis auf einige Kleinigkeiten, die ich bereits
angesprochen habe und für die ich einen halben Stern in meiner
Bewertung abziehe, bin ich vollkommen zufrieden mit der Entwicklung.
Ich wurde immer wieder überrascht, die Protagonisten haben mir
gefallen und boten ein abwechslungsreiches Bild und die Schreibweise
hat ihr übriges dazu getan, dass ich das Buch nicht aus der Hand
legen wollte. Die zahlreichen historischen Details haben dem Buch
viel Anspruch gegeben und es zu einer ernsthafteren Lektüre gemacht,
als anfangs gedacht.
Ich kann das Buch ohne Vorbehalte
weiterempfehlen, es ist spannend, gibt drei tollen Frauencharaktere
Raum zur Entfaltung und es werden wichtige Themen angesprochen, die
auch heute noch teilweise aktuell sind. Eine wunderbare Lektüre, die
mir die letzten Tage definitiv verschönert hat!
Bewertung: 4,5 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Vorablesen, sowie den Ullstein Buchverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
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