Samstag, 6. Juni 2020

Rezension: Der Turm des Lichts von Astrid Fritz

Titel: Der Turm des Lichts
Autorin: Astrid Fritz
Verlag: rororo
Seitenzahl: 816 Seiten
 Preis: 14,00 €
Erscheinungsdatum: 19.05.2020
 ISBN: 978-3-499-00119-2

https://www.rowohlt.de/bild/013d/4700681/3/416/u1_978-3-499-00119-2.jpg

Handlung:

Im Jahr 1270 reist der Baumeister Gerhard nach Freiburg, um dort eine prächtige neue Kirche zu bauen. Mit knapp 30 Jahren ist er erstmals komplett für den Bau und die Planung zuständig und will seine Aufgabe würdevoll und mit wenigen Problemen erfüllen. Doch kann ihm das wirklich so gelingen?

Nach einigen Jahren ohne Tätigkeit an der Kirche übernimmt Meister Heinrich 1299 den Weiterbau. Und er will sich einer ganz besonderen Aufgabe widmen: den schönsten Turm auf Erden zu bauen, nach Vorlage des großen Erwin von Steinbach. Nicht alle Bürger der Stadt sind von diesem Wunsch begeistert und äußern Klagen. Werden am Ende genügend finanzielle Mittel, als auch Unterstützer dieses Vorhabens da sein?

Ungefähr im Jahr 1318 schließt sich auch der junge Bildhauer Josef der Gruppe rund um den Freiburger Münster an. Viele neiden ihm sein Können, die Skulpturen lebensnah und authentisch zu gestalten. Darunter auch Personen im eigenen Lager...

Meinung:

Schon der erste Blick auf das Cover macht deutlich, dass es sich bei diesem neuen, 800 Seiten starken Buch von Astrid Fritz um einen historischen Roman handelt. Die Farben sind nicht zu auffällig und changieren in verschiedenen beige Nuancen. Es gibt einige kleine Hingucker, besonders natürlich die Schrift, welche mit einem goldenen Farbverlauf ausgestattet wurde. Als zweites Highlight dient für mich die Kirche, bei der ich mir denke, dass es sich hierbei um den Freiburger Münster handelt. So kann man sich von dem imposanten Bauwerk ein erstes Bild machen und auch während des Lesens habe ich immer wieder darauf geschaut und mir so einiges besser vorstellen können.
Zu beiden Seiten des Buches sind noch einige Blumenranken zu sehen, die wunderbar altmodisch daherkommen und genau in die Handlungszeit des Buches, das 13. und 14. Jahrhundert, passen. Als einziges modernes Element dient eine Art Wasserspeier, welcher sich so tatsächlich an dem Gebäude finden lassen könnte.
Insgesamt finde ich das Cover für einen historischen Roman sehr gelungen, es verbindet nostalgische Elemente mit moderneren. Zudem bietet es verschiedene kleine Eyecatcher und zieht dadurch die Aufmerksamkeit auf sich.

Ich habe von der Autorin bereits einige Bücher gelesen, die mir allesamt gut gefallen haben. Es werden stets spannende und realitätsnahe Geschichten erzählt, die einen ganz besonderen Reiz ausüben. Und daher war es für mich ein Muss, auch diesen neuen Roman zu lesen. Ich war richtig gespannt auf das knapp 800 Seiten starke Buch und habe dieses im Zusammenhang einer Leserunde bei Lovelybooks lesen dürfen. Auch hier möchte ich mich dafür noch mal kurz bedanken, nicht nur für das Exemplar, sondern auch die sehr angenehme und mit interessanten Diskussionen gespickte Leserunde!

Als ich das Buch erstmals selbst in der Hand gehalten habe, war ich etwas baff. Mir war bewusst, dass es sich hier um einen kleinen Brocken handeln wird, so ein Buch selbst in der Hand zu halten ist dann immer noch mal eine andere Nummer.
Und auch als ich das Personenverzeichnis entdeckt habe, blieb mir etwas die Spucke weg. Dieses erstreckt sich auf gut zehn Seiten, wird dabei in die drei Bücher unterteilt. Mein Tipp hierfür: lest euch im Vorhinein immer nur die Personen durch, die in dem jeweiligen Buch vorkommen. Ansonsten ist man schnell etwas überfordert und es besteht die Gefahr, Protagonisten durcheinanderzubringen. Mir hat das wirklich sehr geholfen und ich hatte nur wenige Probleme damit, Personen wiederzuerkennen oder sie mir zu merken.

Wie ich gerade erwähnt habe, es erfolgt eine Unterteilung in drei Bücher. Ein jedes hat ein Titelblatt, wo nicht nur ein Titel des folgenden vermerkt ist, sondern auch der Handlungszeitraum. Das fand ich sehr passend, so kann man sich bereits einen ersten Eindruck erschaffen, wie viele Jahre in den nächsten Kapiteln vergehen. Außerdem vergeht auch zwischen den Büchern ein wenig Zeit und diese kann man sich so besser vor Augen halten.

Es herrscht von der ersten bis zur letzten Seite ein äußerst angenehmer Schreibstil, der zum weiterlesen verleitet. Es wurde eine Ausdrucksweise gewählt, die der damaligen Zeit etwas angepasst wurde und den Leser so gedanklich in die Handlungszeit reisen lässt. Ich mochte diese Art der Erzählung gerne, gleichzeitig habe ich dadurch mehr Zeit beim Lesen gebraucht und mich am Ende gut eine Woche mit dem Roman beschäftigt.
Es gibt viele Erzählstränge, die manchmal nebeneinanderher laufen, oft ineinander greifen und sich verbinden. Auch dadurch ist ein aufmerksames Lesen angebracht, um keine Information zu verpassen und um einen allgemeinen Überblick zu behalten. Anhand dieser breitgefächerten Erzählsituation trifft man auf Menschen unterschiedlicher Stände, mit verschiedenen Meinungen und Gedanken zum Kirchenbau.
Manchmal war mir die Lösung von Konflikten etwas zu einfach und leicht. Es wurden mal eben Entscheidungen getroffen, die nicht immer gut überlegt wurden. Protagonisten haben sich plötzlich geändert, ohne das es dazu erklärende Worte gibt, obwohl sich ein Teil der Handlung immer wieder um diese zwischenmenschlichen Probleme gedreht hat. Das war mir zu schnell und einfach gelöst, zumal es nur selten Kompromisse gab, sondern recht plötzlich wieder heile Welt geherrscht hat.

Ich bin der Handlung mit viel Interesse gefolgt, spannungsreiche Momente waren eher rar gesät. Es gibt einige Ansätze, wo man merkt, dass jetzt ein neuer Wind weht und die Karten neu gemischt werden. Doch im Grunde hat die Geschichte einen ruhigen Ton, es wird sich auf das Wesentliche konzentriert und auch damit kann der Roman viele Pluspunkte sammeln. Ich finde, dass die Handlung mit ganz anderen Aspekten bestechen kann und ich habe nie eine spannungsreiche Szene vermisst.

Gerade mit den historischen Ereignissen, die zahlreich auftauchen, hat die Autorin einen Schwerpunkt geschaffen, der mich vollkommen überzeugt hat. Nicht nur über den Kirchenbau, sondern auch über die Politik der Ratsherrn und über die Grafenfamilie gibt es zahlreiche Informationen, die einen großen Umfang besitzen. So kann man als Leser hautnah miterleben, welche Probleme es beim Bau des Münsters gibt, welche Steine in den Weg gelegt werden, aber auch mit was sich die Einwohner der Stadt tagtäglich herumschlagen mussten. Es entsteht ein breites Bild über verschiedenste Angelegenheiten, von denen ich vorher in dieser Art und Weise noch nie gehört habe. Ich war von vielen Vorgängen innerhalb der Stadt, als auch auf der Baustelle überrascht und konnte meinen Horizont erweitern.
Man kann deutlich herauslesen, wie viel Recherchearbeit hinter dem Werk steckt. Nicht nur anhand der unglaublich vielen Informationen, sondern ich finde es auch bemerkenswert, wie die Autorin Astrid Fritz es geschafft hat, diese in einen sinnvollen und glaubwürdigen Zusammenhang zu bringen.
Leider tritt der Kirchenbau im letzten Buch etwas in den Hintergrund. Hier stehen eher die Beziehungen der Bürger Freiburgs im Mittelpunkt. Ich hatte die Erwartungshaltung, dass der Bau sich stets im Fokus befindet und man gefühlt miterlebt, wie jeder Stein an Ort und Stelle gebracht wird. Zwar stehen die Geschichten der Protagonisten ebenfalls in einem Zusammenhang mit dem Bau des Freiburger Münsters, doch manchmal nahmen mir ihre Kapitel überhand. Mir hätte es gefallen, wenn der Schwerpunkt noch mehr auf dem Kirchenbau gelegen hätte.

Als Haupthandlungsort dient fast ausschließlich Freiburg, nur wenige Kapitel spielen in Straßburg. Ich konnte mir beide Orte richtig gut vorstellen und hatte teils das Gefühl, als würde ich mit den Protagonisten zusammen durch die Straßen schlendern. Egal ob Wohnhäuser, Burgen oder kirchliche Gebäude: ein jedes Bauwerk hat ein lebendiges und detailgetreues Bild vor meinen Augen entstehen lassen.
Ich finde sogar fast, dass Straßburg mir einen Tacken angenehmer und noch stimmungsvoller war und meine Fantasie die Stadt einen Hauch farbenfroher als Freiburg gestaltet hat. Mit dem Setting bin ich mehr als zufrieden und bin begeistert, wie viel Atmosphäre die Städte verbreiten konnten.

An sich hat mir die Darstellung der Protagonisten gut gefallen. Es gibt viele verschiedene Charaktere, ein jeder hat seinen eigenen Willen und kämpft für seine Ziele. Dabei ist es auch gut möglich, dass man in sympathische und unsympathische Lager einteilen kann, wobei die Autorin hier ganz leicht die Sympathien lenkt. Zumindest bei einigen Personen, andere zeichnen sich durch ihre Aussagen und Taten von allein aus.
Und obwohl ich mir die Protagonisten vorstellen konnte und sie einige lebendige Ansätze hatten, konnte ich durchweg keine Bindung zu jemandem aufbauen. Dafür wurde bei ihren Charakteren nicht genug in die Tiefe gegangen und sie blieben etwas zu blass.
Bei vielen Romanen hätte mich dies gestört, hier eher nicht. Man muss beachten, dass auf den knapp 800 Textseiten sehr viele Protagonisten auftauchen, die den Leser nicht alle bis ans Ende des Romans begleiten. Es gibt ein stetes Kommen und Gehen, es wäre schwierig sein Herz an eine Person zu hängen, die entweder die Stadt verlässt oder stirbt. Immerhin vergehen im Verlauf der Handlung gut 60 Jahre und die Lebenserwartung war im Mittelalter nicht so hoch wie heute. Daher hat es mich nur wenig gestört, dass es fast unmöglich war, eine Bindung zu den Charakteren aufzubauen.

Fazit:

Ich weiß gar nicht, wann ich mich das letzte Mal einem solch seitenstarken Buch gewidmet habe. Ich bin aber sehr froh drum, dass ich es gelesen habe und meinen Horizont zu verschiedenen Angelegenheiten erweitern konnte. Viele historische Details sind aufgetaucht, die ich davor noch nie gehört habe und wo ich dazulernen konnte.
Ein Traum war auch das Setting. Ich habe mich dort fast heimisch gefühlt, obwohl ich beide Städte noch nie besucht habe. Was ich jetzt am liebsten machen würde, so sehr hat mich die Darstellung von Freiburg und Straßburg angesprochen!
Im Grunde habe ich zwei Kritikpunkte, für die ich einen Stern abziehe. Zum einen, was ich auch schwerwiegender finde, stand mir mit fortschreitender Handlung der Kirchenbau zu wenig im Mittelpunkt und gerade hierzu hatte ich mehr Erwartungen. Dafür rückten mir die Beziehungen der Bevölkerung zu sehr in den Vordergrund.
Zum anderen waren mir einige Konflikte etwas zu schnell gelöst. Sie spielen im Roman immer wieder eine Rolle und man macht sich als Leser einige Gedanken dazu und dann ist plötzlich und mit wenigen Worten alles wieder in Ordnung. Ein paar mehr Worte zu einigen Sachverhalten wären echt gut gewesen!
Ich habe das Buch mit einem positiven Gefühl weggelegt, ich habe mich gut unterhalten gefühlt, habe viele neue Dinge gelernt und kennengelernt und habe einen Heidenrespekt vor den Bauleuten, die so wundervolle Gebäude auf der ganzen Welt errichtet haben! Und auch vor Astrid Fritz, wie geschickt sie die ganzen Ereignisse in einen nachvollziehbaren und verständlichen Zusammenhang gebracht hat!

Bewertung: 4 von 5 Sternen

MarySophie 

Vielen Dank an den Rowohlt Verlag, die Autorin Astrid Fritz, sowie Lovelybooks für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars! 
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.

Habe ich euer Interesse geweckt? Hier könnt ihr den Roman kaufen! 

Diese Romane der Autorin habe ich ebenfalls gelesen:

Henkersmarie

Wie der Weihnachtsbaum in die Welt kam

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen