Titel: Die Porzellan-Erbin - Unruhige Zeiten
Autor: Florian Busch
Verlag: Goldmann
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 13,00 €
Erscheinungsdatum: 13.04.2020
ISBN:
978-3-442-20593-6
Handlung:
Deutschland 1866
Gräfin Thyra von Hardenstein und ihr
Vater haben große Pläne. Das weiße Gold der Porzellanmanufaktur
Strehlow soll nicht mehr nur für wohlhabende Menschen erschwinglich
sein, sondern auch für einfache Leute, die nicht so viele
finanzielle Mittel besitzen. Doch auf dem Heimweg einer Reise, zurück
nach Hardenstein, kommt die junge Gräfin bei einem Kutschenunfall
ums Leben. Und das ungeborene Kind scheinbar mit ihr...
Dafür gibt sich Wilhelm, der Anführer
der kleinen Kolonne die Schuld. Immerhin hat er vom Grafen das
Vertrauen bekommen und sollte seine Frau sicher wieder auf den Hof
bringen...
Meinung:
Ich finde das Cover ganz nett, besonders gut gefällt mir die kunstvolle rote Schrift, welches für mich das Herzstück des gesamten Bildes darstellt. Dazu gibt es im Hintergrund, leicht verschwommen, ein schicke Villa, welche traumhaft aussieht. Auch die Umgebung hat viel Charme und sieht einladend aus. Im Vordergrund steht eine Dame mit einem aufwendigen Kleid, die sich das Gelände anschaut. Es ist nett anzusehen, doch mittlerweile habe ich das Gefühl, diese Art von Cover schon oft gesehen zu haben, sodass es mich nicht mehr umhaut. In einer Buchhandlung würde ich es mir auf jeden Fall anschauen, der Titel hat sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und anhand des Bildes erwarte ich einen historischen Roman, der einige Geheimnisse in sich birgt und eine nette Geschichte beinhalten könnte.
Wie auf ganz viele andere Bücher zuvor
wurde ich auf diesen Roman durch die Vorschau aufmerksam. Mich hat
sowohl die Handlungszeit gefallen, als auch die kurze Inhaltsangabe
und besonders reizvoll empfand ich den Aspekt des Porzellans. So war
ich mehr als glücklich, das Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten
und habe mich riesig auf das Lesen gefreut.
Beim ersten Aufschlagen des Buches
erwarten den Betrachter direkt zwei Highlights. Auf den
Umschlaginnenseiten gibt es zum einen ausführliche Karte des
Gutshofes Hohensandau, wo allerhand Gebäude verzeichnet sind und man
sich davon ein sehr genaues Bild machen kann. Außerdem ist es so
leichter, diverse Wege der Protagonisten nachzuverfolgen und
Entfernungen einzuschätzen. Zum anderen befindet sich am Ende des
Buches ein Stammbaum der wichtigsten Familien, man kann sie so schon
vor dem Lesen kennenlernen, gleichzeitig werden hier auch Details
verraten, die erst im Roman vollzogen werden und kleine Aspekte der
Handlung werden vorweggenommen.
So leicht hat es mir der Roman nicht
gemacht. Anfangs musste ich mich an die Sprache gewöhnen, die
ungewohnt war und einen sehr angenehmen Anspruch hatte. Ich brauchte
gute hundert Seiten, um damit besser klarzukommen und mich etwas zu
entspannen. Oft haben die Sätze einen tieferen Sinn, den ich nur
durch aufmerksames Lesen erfasst habe und die nicht nur auf das Leben
der Protagonisten zutreffen. An vielen verschiedenen Stellen,
besonders den Handlungsorten, hatte ich Bilder vor Augen. Besonders
der Gutshof wurde mit leuchtenden Worten beschrieben, die lebendig
wirkten und ein klares Bild des Hauptsettings gaben.
Ein weiteres Problem meinerseits ist
der nicht ganz passende Klappentext, der andere Erwartungen geschürt
hat. Ich habe beim Lesen immer wieder darauf gewartet, dass Sophie
auftaucht und man sie als Leser kennenlernt. Doch dies geschieht erst
auf den letzten vielleicht 50 Seiten, erst dann nimmt die
geheimnisvolle Frau eine größere Rolle ein. Und selbst dann wird
die Handlung nicht so wie ich erwartet hatte. Ich weiß nicht, wie
ich meine Gedanken dazu teilen soll, das Risiko etwas von der
Geschichte vorwegzunehmen und zu spoilern ist zu groß, weshalb ich
hier nur so vage bleiben kann.
Auf jeden Fall musste ich mich auch an
die Geschichte gewöhnen, nicht Thyra oder Sophie stehen im
Mittelpunkt, sondern eher der Wilhelm und seine Frau Theresa, beides
Mitglieder des Gesindes des Gutshofes. Das kam für mich sehr
überraschend, immerhin finden beide im Klappentext keine Erwähnung,
weshalb ich nie gedacht hätte, dass sie am Ende als
Hauptprotagonisten dastehen.
Als ich mich irgendwann an diese andere
Situation gewöhnt habe, konnte ich der Geschichte mit mehr Interesse
und Ruhe folgen, wobei ich mich trotzdem immer gefragt habe, wann
denn nun die angeteaserte und erwartete Erzählung beginnt.
Im Grunde konzentriert sich die
Handlung irgendwann vollkommen auf Wilhelm und Theresa. Hier gibt es
zwei Erzählperspektiven, die beide an unterschiedlichen Orten
spielen. Theresa ist mit ihrem Kind auf Gut Hohensandau geblieben,
steht weiterhin im Dienste des Grafens und bietet verschiedene
Einblicke auf das Leben dort, den Umgang unter den Mägden und ihre
alltägliche Arbeit mit diversen Sorgen.
Wilhelm hingegen hält sich an einem
anderen Ort auf, den ich nicht zu genau benennen mag, aufgrund von
möglichen Spoilern. Auf jeden Fall sieht man bei seinen Abschnitten
deutlich den Fortschritt der Zeit, gerade im Zusammenhang mit der
Eisenbahn und wie diese neue Transportmöglichkeit verschiedene Teile
des Landes verbindet.
Leider haben sich die Kapitel von
Wilhelm etwas gezogen, sie hatten für mich ein paar Längen und
konnten nicht so überzeugen. Ich habe immer auf Theresas Abschnitte
gewartet und diese mit deutlich mehr Interesse gelesen. Sie wirkten
lebendiger und ich mag es allgemein sehr gerne von dem Alltag auf
Gutshöfen zu lesen.
Geschickt in die Handlung eingebunden
wurden diverse historische Details. Diese tauchten teilweise in
größerer Anzahl auf, dann kam wieder seitenweise nichts. Auf jeden
Fall waren sie immer leicht verständlich, man konnte sie fast
nebenbei aufnehmen und in einen Zusammenhang bringen.
Besonders hat mich hierbei der Aspekt
des Porzellans interessiert. Dieses umgab eine geheimnisvolle Aura
und es ist nur schwer vorstellbar, dass es zu der damaligen Zeit ein
Luxusgut ist, wo es doch heute selbstverständlich zu einem jeden
Haushalt dazugehört. Gerade den Anfang in der Porzellanfabrik der
Familie Strehlow habe ich verschlungen und hatte deshalb erwartet,
dass dieser Aspekt auch im Folgenden noch vermehrt auftauchen wird.
Doch leider wird das Thema bis zum Ende fast nicht mehr angesprochen,
was ich sehr schade fand. Immerhin deutet schon der Titel auf das
weiße Gold hin und ich hatte mit noch mehr Details dazu gerechnet.
Es wurde gut beschrieben, wie sich das
Zusammenleben auf einem Gutshof, aber auch in einem Dorf mit den
unterschiedlichen Hierarchien gestaltet. Diese Standesunterschiede
und das Ansehen der verschiedenen Familien war einleuchtend und
brachte nochmals Authentizität in den Roman.
Als Setting dient vor allem der
Gutshof, dazu gibt es anfangs noch ganz wunderbare Kapitel in der
Strehlowschen Porzellanfabrik und diverse andere Orte, auf die ich
jetzt nicht weiter eingehen werde. Am besten vorstellen konnte ich
mir stets den Gutshof. Schon durch die angesprochene Skizze am Anfang
fiel es mir leicht, mir diesen vorzustellen und auch die Beschreibung
des Autors regt meine Fantasie an, mir das Gelände vorzustellen. Ich
mochte die Kapitel dort am liebsten, sie hatten einen bestimmten
Charme und wirkten ganz natürlich und bodenständig. Zudem ist der
Besitz des Grafen so weitläufig, dass man davon gar nicht
gelangweilt sein kann.
Und obwohl die Porzellanfabrik für
mich eine Dimension hatte, die ich mir größentechnisch schwerlich
vorstellen konnte, war sie doch auf ihre Art sehr ansprechend. Die
Produktionsräume ließen lebendige und farbenfrohe Bilder entstehen,
teils hatte ich das Gefühl, mit in den Räumen zu stehen und alles
mit eigenen Augen zu sehen.
Es gibt eine große Anzahl an
Protagonisten, die mit den unterschiedlichsten Charakteren und Wesen
ausgestattet wurden. Ganz viele empfand ich als wunderbar gezeichnet
und durchdacht. Sie wirkten unfassbar lebendig und erschienen wie aus
dem Leben gegriffen. Sie gehen nicht ohne Probleme durchs Leben,
haben auch immer mal mit Hürden zu kämpfen und wirken so meist sehr
lebendig und realistisch in ihrer Darstellung. Sie sind nicht zu
stark und unverletzbar gezeichnet, ein jeder hatte Schwächen und war
in seinem Handeln nicht perfekt. Man konnte frei entscheiden, wen man
sympathisch findet und bei einigen Personen konnte man sich leicht
von der Fassade täuschen lassen. An solchen Textstellen wurde
gezeigt, dass man Menschen erst besser kennenlernen muss, bevor man
sich ein Urteil erlaubt.
Tatsächlich empfand ich Wilhelm als
schwierigsten Protagonisten. Ich kann selbst nicht genau benennen,
was mir an seiner Person nicht gefallen hat. Im Grunde ist er recht
sympathisch und freundlich, er schafft es, sich aus den schwierigsten
Situationen wieder aufzurappeln und nach einem neuen Weg zu suchen.
Doch trotzdem wurde ich mit ihm nie so warm, für mich war er ein
merkwürdiger Charakter, zu dem ich einfach keinen Zugang gefunden
habe.
Fazit:
Über meine Erwartungen und den nicht
passenden Klappentext habe ich ausreichend gesagt. Ich konnte mich
immer mehr mit der Handlung anfreunden und die Geschichte konnte mich
auch mehr überzeugen. Ich fand sie nicht perfekt, doch es gibt
trotzdem zahlreiche Aspekte, die mein Interesse auf Band zwei geweckt
haben, welchen ich am liebsten direkt lesen würde.
Wahrscheinlich hat mich das Buch etwas
enttäuscht, weil ich mit einer komplett anderen Geschichte gerechnet
habe, ich hatte erwartet, dass man fast nur in der feineren Welt, der
Welt des Adels, verkehrt, viel Zeit in einer Porzellanfabrik
verbringt und das Leben der Dienstboten eine eher untergeordnete
Rolle spielt. Wenn der Klappentext explizit auf die tatsächliche
Handlung eingegangen wäre, hätte ich eine andere Erwartungshaltung
gehabt und wäre entspannter in die Handlung gestartet.
So habe ich einige Zeit überlegt, was
ich dem Buch für eine Bewertung gebe. Immerhin ist es im Grunde
nicht schlecht und ich will nicht die fehlerhafte und nicht ganz dem
Inhalt entsprechende Beschreibung des Romans als negativ darstellen
und dafür Sterne abziehen. Deshalb ziehe ich für die sich ziehenden
Kapitel von Wilhelm und den zu selten auftauchenden Aspekt des
Porzellans und dessen Herstellung, sowie dem holprigen Start in das
Buch gesamt anderthalb Sterne ab.
Bewertung: 3,5 von 5 Sterne
MarySophie
Vielen Dank an den Goldmann Verlag, sowie das Bloggerportal für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
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