Titel: Teatime mit Lilibet
Originaltitel: The Governess ( aus dem Englischen von Elfriede Peschel )
Autorin: Wendy Holden
Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
Seitenzahl: 544 Seiten
Preis: 11,99 €
Erscheinungsdatum: 29.11.2021
ISBN: 978-3-548-06484-0
Handlung
England
1933
Das
Ziel der 22jährigen Marion Crawford war es schon immer, eines Tages
die Kinder in den Slums von Edingburgh zu unterrichten. Bis sie
zufällig einen Ferienjob erhält, der sie zu der britischen
Königsfamilie bringt. Und aus dem Job für einen begrenzten Zeitraum
entwickelt sich schnell ein Arbeitsverhältnis, welches über viele
Jahre andauern wird. Schnell erkennt Marion, in was für einem
behüteten Umfeld die Prinzessinnen Elisabeth und Margaret aufwachsen
und sie möchte den zwei Mädchen gern das Leben außerhalb der
Palastmauern zeigen. Doch egal, was sie die Lehrerin einfallen lässt,
nie wirken solche Momente wie Bus- und Metrofahrten oder das
Einkaufen von Weihnachtsgeschenken natürlich. Trotzdem hofft Marion,
die Schwestern in ihrem Denken zu beeinflussen und gerade bei Lilibet
scheint sie damit Erfolg zu haben. Die künftige Königin ist ihr
sehr ans Herz gewachsen und so fällt Marion lange Zeit nicht auf,
wie ihre Arbeit bei den Royals sie verändert und wie eingeschränkt
sie in ihrem privaten, als auch sozialen Leben eigentlich ist...
Meinung
Beim
Cover wurde eindeutig Wert darauf gelegt, dass es zu der Geschichte
passt. Im Vordergrund sind daher die beiden Geschwister und
Prinzessinnen Elisabeth und Margaret zu sehen, sie sind als Kinder
abgebildet und man erhält dadurch einen Eindruck, wie sie als Kinder
aussahen. Im Hintergrund dieser kleinen Szenerie ist der Buckingham
Palace zu sehen, der Bezug auf einen Handlungsort der Geschichte
nimmt.
Der
Hauptteil des Covers wird von dem Titel beherrscht, der in einer
schwungvollen und auffallenden Art abgedruckt wurde, sodass er direkt
ins Auge fällt. Er hebt sich farblich gut hervor und wirkt
gleichzeitig nostalgisch, als auch elegant. Insgesamt liegt ein
harmonisches und ansprechendes Bild vor, welches sowohl mit dem
Titel, als auch mit dem Inhalt gut harmoniert!
Seitdem
der Roman im Jahr 2020 als Hardcover erschienen ist stand er auf
meiner Wunschliste. Mich konnte die Leseprobe damals direkt
überzeugen und ich empfand es als spannend, die britische
Königsfamilie mal in einem Roman zu erleben. Zudem hat es mich
interessiert, wie die einzelnen Personen wohl dargestellt werden,
welche Charakterzüge ihnen zugeordnet sind und was für Gefühle die
Autorin ihren Figuren verleiht. Daher war es mir eine große Freude,
das Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten, wofür ich mich ganz
herzlich beim Ullstein Verlag bedanken möchte!
Erst
vor kurzer Zeit hatte ich einen anderen Roman der Autorin gelesen,
der Wallis Simpson, ihr Leben und ihre Liebesgeschichte zu König
Edward behandelt. Daher konnte ich mir schon vorab denken, dass ich
mit der Sprache keine Probleme haben werde und sich die Geschichte
sicherlich gut und flüssig lesen lässt. Und genau das war auch der
Fall. Von der ersten Seite an bin ich sehr leicht vorangekommen, mir
hat die Erzählperspektive gefallen, die Personenzeichnungen konnten
mich überzeugen und es wird ein rundum stimmiges und interessantes
Bild jeglicher Situationen gezeichnet.
Die
Schreibweise ist mitreißend, bildhaft und lädt dazu ein, immer
weiter in dem Roman zu schmökern. Meist herrscht eine einfache
Sprache vor, die natürlich ein schnelles Vorankommen gewährleistet
und die Handlung wird dynamisch gehalten. Nie gibt es einen zu langen
Stillstand, ab und an wird ein bisschen Zeit übersprungen, um die
Geschichte nie zu sehr auszuweiten und trotzdem hatte ich das Gefühl,
stets das Wichtigste zu erfahren. Man verpasst nichts wichtiges,
wodurch der Eindruck entsteht, über jegliche Angelegenheiten gut
informiert zu sein.Gespräche
sind teilweise überraschend tiefgreifend und stets ist es gut
möglich, die Gedanken von Marion zu verstehen und nachzuvollziehen.
Besonders spannend empfand ich es, wie sich ihre Meinung im Verlauf
der Handlung entwickelt, wie sie manche Angelegenheiten aus einem
anderen Licht sieht und wie dadurch auch eine persönliche
Entwicklung zu sehen ist.
Ursprünglich
dachte ich, dass sich die Erzählung auf zwei zeitliche Ebenen
aufteilen wird. Der Prolog spielt im Jahr 1987, das erste Kapitel
geht zeitlich einige Jahre zurück, es spielt im Jahr 1932. Und
entgegen meiner Erwartungen geht die Handlung konstant so weiter, es
gibt keine Blicke in die Zukunft, lediglich der Epilog greift noch
einmal in die Zukunft voraus. Ansonsten entwickelt sich die
Geschichte linear weiter, man erlebt, wie Marion ihre Stellung in der
Königsfamilie antritt, welche Aufgaben sie als Lehrerin für die
zwei Prinzessinnen hatte und wie sie, aber auch die anderen Figuren
sich über die Jahre entwickeln, welche Wandlungen sie vollführen
und wie sie charakterlich stärker werden. Schließlich erstreckt
sich die gesamte Handlung über den zweiten Weltkrieg hinaus bis ins
Jahr 1949.
In
all diesen Jahren wird man Zeuge der verschiedensten historischen
Ereignisse und es lässt sich gut betrachten, wie die Personen sich
entwickeln, wie sie auf Entwicklungen auf politischer und auch
sozialer Ebene reagieren und wie ihr Lebensstil ausschaut. Stets wird
die Geschichte so gehalten, dass es immer neue Informationen gibt,
die Handlung aber nie zu lange an einem Punkt verweilt. Dadurch
werden Längen vermieden und trotz einer Anzahl von 544 Seiten bleibt
dem Buch ein kurzweiliger Charakter erhalten.
Bis
auf den Prolog und Epilog werden die Ereignisse durchweg aus der
Sichtweise von Marion Crawford, der Lehrerin der zwei Prinzessinnen,
beschrieben. Man lernt die britische Königsfamilie aus ihrer
Perspektive kennen und kann daher gut verfolgen, wie sie jede
einzelne Person einschätzt und bewertet. Ich empfand es als sehr
interessant, ihre Erlebnisse zu verfolgen, weil man die Sicht einer
außenstehenden Person bekommt und Marion sowohl positive, als auch
negative Charakterzüge der Königsfamilie erkennt und an den Leser
weiterträgt.
Nie
hatte ich den Eindruck, dass die Geschichte zu einseitig oder
langatmig gestaltet ist, im Gegenteil. Weil das Buch sich aktiv mit
den Jahren 1932 – 1949 auseinandersetzt kann man gut verfolgen, wie
sich Figuren entwickeln, wie sie ihr Denken oder Auftreten ändern
oder wie Elisabeth und Margaret wachsen, wie aus Kindern Jugendliche
und schließlich junge Erwachsene werden. Diese Entwicklung und wie
sie durch einige Personen beeinflusst wird, wurde von Wendy Holden
sehr gut herausgearbeitet und gibt ein lebendiges Bild der Figuren
wieder.
Es
lässt sich durchweg gut nachvollziehen, an welchem Ort und zu
welcher Zeit die Ereignisse stattfinden. Diese beiden Punkte werden
in vielen Kapiteln fast schon nebenbei erwähnt und daher ist es
leicht, sowohl zeitlich, als auch örtlich einen soliden Überblick
zu haben.
Besonders
interessant empfand ich es beim Setting, dass man wirklich komplett
verschiedene Orte kennenlernt. Natürlich spielen allerhand Szenen in
Schlössern oder anderen herrschaftlichen Häusern, die im Besitz der
britischen Königsfamilie sind. Und als krassen Gegensatz dazu gibt
es vor allem am Anfang einige Seiten, die in den Slums von Edinburgh
stattfinden und einen ärmlichen Lebensstil zeigen. Diese
Unterschiede kommen gut hervor und gleichzeitig bekommt man
wiederholt aufgezeigt, wie behütet und sorglos die beiden
Prinzessinnen aufwachsen, während es andere Kinder gibt, die keine
Schulbildung erhalten, sondern schon früh dabei helfen müssen, Geld
zu verdienen.Jedes
Setting hat auf jeden Fall eine schöne und lebendige Zeichnung
erhalten, ich konnte mir ganz viele Orte gut vorstellen und hatte
daher häufig lebendige Bilder vor Augen. Es gibt eine schöne
Vielfalt und Abwechslung und ich bin mit jeder einzelnen Darstellung
der Handlungsorte zufrieden!
Ich
hatte ja bereits erwähnt, dass mir die Erzählperspektive mit Marion
im Mittelpunkt gut gefallen hat. Sie tritt weitestgehend sympathisch
auf, sie wirkt verständnisvoll und freundlich, zudem gefallen mir
ihre Ideen, um den zwei Prinzessinnen die Welt außerhalb der
Palastmauern zu zeigen. Und auch ihre Gedanken konnte ich
weitestgehend verstehen, ich mag es, dass sie zwar von vielen Dingen,
die die Royals ausmachen, fasziniert ist, gleichzeitig aber trotzdem
vieles kritisch betrachtet.
Nur
manchmal hätte ich mir gewünscht, dass Marion noch stärker und
selbstbestimmter auftritt, sie ihre Meinung durchsetzt und ihre
einmal gefassten Entschlüsse nicht so schnell wieder aufgibt. Sie
hat sich zu sehr von den Royals, vor allem der Herzogin von York,
einschüchtern und bestimmen lassen und oft fand ich es traurig, dass
sie ihr Anliegen nicht durchsetzt, sondern den Kürzeren zieht. Das
hat auch nicht so wirklich zu ihrem sonst sehr starken Auftreten
gepasst, hier hätte ich mir gewünscht, dass sich Marion nicht so
leicht von den Worten der Herzogin einlullen lässt, sondern sie sich
selbst treu bleibt und ihre Pläne konsequenter umsetzt.
Die
Personen sind klar gezeichnet. Sie sind nicht in gut und böse
unterteilt, im Grunde gibt es nur sehr wenige Wertungen ihrer
Charaktere. Vielmehr wird es dem Leser überlassen, wie er Sympathien
verteilt und welche Meinungen man sich von jeder einzelnen Figur
macht. Das hat mir sehr gut gefallen, es passt zu der Geschichte, vor
allem mit dem historischen Hintergrund zahlreicher Personen.
Eine
jeder Charakter wirkt auf seine Weise sehr interessant. Und häufig
konnte ich gut verstehen, weshalb Marion ihnen vertraut hat oder sie
in ihren Bann gezogen wurde. Sie haben ein sehr starkes Auftreten,
sodass man auf Anhieb von den Personen fasziniert ist und sie näher
kennenlernen will. Zudem gibt es sehr eigene Individuen, die im
Verlauf der Geschichte auftreten. Sie haben kleine Ticks und Macken
erhalten, die sie einzigartig machen. Sie sind durchsetzungsfähig
und lassen sich lange Zeit nicht in die Karten schauen. Das führt
dazu, dass sich manche Charaktere ganz anders entwickeln, als ich
ursprünglich gedacht hatte und daher kam auch immer wieder neuer
Schwung in die Geschichte.
Besonders
in Bezug auf die britische Königsfamilie gibt es allerhand
Hintergrundinformationen. Man lernt nicht nur die verschiedensten
Personen kennen, sondern kann sich auch von ihrem Lebensstil, den
täglichen Aufgaben und familiären Beziehungen ein Bild machen. Und
weil Marion im Vordergrund steht ist es natürlich besonders leicht
zu beobachten, was ein Leben im Palast für einen Menschen bedeutet,
der für die Royals arbeitet. Man lernt einiges darüber, welche
Regeln sie einhalten muss und wie schwierig es ist, solch eine Arbeit
mit einem Privatleben zu vereinbaren. Ich empfand es als sehr
interessant zu sehen, wie einige Gewissenskonflikte von Marion
diesbezüglich aussehen, wie sie ihre Familie und Beziehungen hinten
anstellen musste und alle Kraft dazu diente, die zwei Prinzessinnen
zu unterrichten.
Fazit
Bereits nach wenigen
Seiten hatte ich das Gefühl, dass mir der Roman noch besser gefallen
könnte als jener über Wallis und Edward. Und genauso war es
letztendlich auch. Ich finde, dass die britische Königsfamilie in
einem interessanten und lebendigen Licht gezeigt wird, sie wird nicht
als makellos dargestellt und die Dynamiken innerhalb der Familie oder
im Zusammenhang mit ihren Angestellten sind sehr gut nachvollziehbar.
Ich hatte definitiv schöne Lesestunden, mich konnte die Geschichte
zu weiten Teilen überzeugen und daher kann ich sie guten Gewissens
empfehlen!
Bewertung: 4,5
von 5 Sterne
MarySophie
Vielen Dank an den Ullstein Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.
Diesen Roman der Autorin habe ich ebenfalls gelesen:Wallis & Edward - Eine Liebe, stärker als die Krone