Titel: Große Elbstraße 7
Autor: Wolf Serno
Verlag: Rütten & Loening
Seitenzahl: 473 Seiten
Preis: 18,00 €
Erscheinungsdatum: 13.09.2019
ISBN:978-3-352-00925-9
Handlung:
Hamburg, 1892
In Hamburg bricht an einem heißen
Sommertag in den ärmeren Vierteln die Cholera aus. Johannes Dreyer,
ein Arzt, der an den Krankenhäusern in Ungnade gefallen ist, ist
sofort zur Stelle und kümmert sich um die Kranken. Zufällig trifft
er Viktoria zur Haiden, die von ihren Eltern nach Lübeck geschickt
wurde, um dort ein Lehrerinnenseminar zu besuchen. Viktoria war dort
nicht glücklich und kehrte heimlich nach Hamburg zurück. Doch lange
kann sie sich nicht versteckt halten, urplötzlich begegnet sie ihrem
Vater, Chefarzt am Neuen Krankenhaus Eppendorf. Er verbietet ihr
nicht nur den Umgang mit Johannes Dreyer, sondern nimmt sie wieder
unter seine Fittiche. Findet Viktoria einen Weg, um ein
eigenständiges Leben zu führen und ihren Wünschen nachzugehen? Und
wäre es standesgemäß, ein Medizinstudium anzufangen oder gar dem
Verein der Erika-Schwestern beizutreten?
Meinung:
Meinung:
Das Cover ist nostalgisch gehalten, im Vordergrund ist eine junge Dame zu sehen, die ein kleines Arztköfferchen in der Hand hält und über die Schulter selbstbewusst den Betrachter ausschaut. Fast wirkt sie etwas herablassend und aufmüpfig, scheint eine Darstellung von Viktoria, der Hauptprotagonistin, zu sein. Im Hintergrund befindet sich ein wunderschönes Häuschen mit einem gepflegten Garten. Ich stelle mir so das Haus in der Großen Elbstraße 7 vor. Insgesamt ein rundes, stimmiges und schönes Bild. Ich empfinde das Cover als sehr ansprechend.
In letzter Zeit sehe ich viele Bücher
bei Instagram, die ich danach auch unbedingt haben will. Einerseits
finde ich es richtig schön, dort neues zu entdecken und oft sind
auch Bücher dabei, die ich nicht so auf dem Schirm hatte.
Gleichzeitig wächst dadurch aber auch meine Wunschliste ins
Unendliche. Dieses Buch habe ich auf Instagram entdeckt, fand die
Meinung dazu richtig gut und die Inhalthaltsangabe hat mich direkt
begeistert. Dementsprechend froh war ich, das Buch als
Rezensionsexemplar zu erhalten.
Ich muss ehrlich sagen, dass mir selten
ein Vorwort des Autors so gut gefallen hat. Es war informativ, gibt
wichtige Hinweise und hat mich zum schmunzeln gebracht. Danach hatte
ich noch mehr Lust, endlich mit dem Roman zu starten. Außerdem
erhält man schon einen ersten Eindruck von den umfangreichen
Recherchearbeiten des Autors, dadurch konnte ich das Gelesene noch
mehr würdigen.
Es gibt einen sehr gelungenen und
interessanten Start, ich hatte weder Probleme mit der Schreibweise,
noch mit den Protagonisten oder gar der Handlung. Im Gegenteil. Das
Lesen hat richtig Spaß gemacht, es ist einiges passiert, es gab aber
auch nicht zu viel Drama. Alles wirkte echt und natürlich, es
scheint, als würde der Autor Alltagsgeschichten von realen Figuren
erzählen.
Sehr ansprechend und angenehm empfand
ich die Schreibweise. Zum Glück gibt es nicht so viele medizinische
Begriffe, die meisten sind auch mir als Laien geläufig gewesen.
Außerdem fand ich es richtig gut, dass es zwar Einblicke in das
Medizin- und Krankenwesen gab, diese aber nicht überhand nahmen. Es
wechselten sich Szenen am Krankenhaus mit häuslichen Vorgängen ab
und genau dieser Wechsel hat mich vollkommen überzeugen können.
Ich empfand es als angenehm, wie ruhig
viele Ereignisse beschrieben wurden. Man spürt zwar deutlich die
Gefühle der Protagonisten, doch diese Unruhe überträgt sich nicht
auf den Leser. So war es mir möglich, trotz der anspruchsvollen
Lektüre beim Lesen auch zu entspannen und auch mal die Gedanken
schweifen zu lassen.
Für mich hat das Ende, vielleicht die
letzten 50 Seiten, nicht ganz zu dieser ruhigen Handlung gepasst. Da
gibt es doch einiges überraschendes und für meinen Geschmack
geschieht einiges zu schnell oder es werden zu wenig Worte dazu
gemacht. Das fand ich richtig schade, es hat die bisher ruhige
Handlung aufgerüttelt.
Ich bin mir gerade gar nicht sicher, ob
es sich hier um einen Einzelband handelt oder noch eine Fortsetzung
folgen wird. Ich könnte es mir auf jeden Fall durchaus vorstellen,
die Geschichte endet mit einigen offenen Fragen über die ich mir
schon einige Gedanken gemacht habe.
Tatsächlich fand ich den Klappentext
des Romans nicht ganz passend. Die dort erwähnten Geschehnisse
stimmen zwar, decken aber nur einen winzigen Teil der Handlung ab.
Eigentlich geschieht so viel mehr und der Roman beherbergt viele
unterschiedliche Themen, sei es der medizinische Fortschritt, die
Selbstbestimmung der Frau oder der Wunsch nach mehr Freiheiten, Lohn
und Rechten der Arbeiter.
Im Verlauf der Handlung einige Jahre,
die Handlung setzt 1892 und endet 1899. Oft lässt sich gar nicht so
leicht erkennen, in welchem Jahr die Handlung stattfindet. Nur durch
die Unterteilung in drei Teile gibt es eine zeitliche Einordnung,
dort wird immer genannt, in welchen Monaten und Jahren die folgende
Handlung stattfindet. Ziemlich selten wird in den Abschnitten das
Jahr genannt, dagegen gibt es einige Hinweise auf die Jahreszeit oder
die Monate.
Als Setting dient durchweg Hamburg,
besonders die Unterschiede zwischen Arm und Reich waren eindrucksvoll
gegenübergestellt. Und auch die Beschreibungen dessen waren top! Ich
muss sagen, dass mir vor allem die Darstellung der Gängeviertel und
die Wohnungen der armen Leute richtig gut gefallen hat. Sie waren
bildhaft und lebendig, zeigten mit einfachen und wenigen Worten die
wahre Welt einiger Bewohner Hamburgs. Dagegen wirken die wohlhabenden
Straßen und Leute wie aus einer anderen Welt und ich fand es
interessant, wenn es eine Vermischung der Welten gab, z.B.: wenn der
reiche Professor zur Haiden das Gängeviertel erkundet und sieht, wie
die Arbeiter leben.
Sehr hilfreich empfand ich die kleine
Auflistung der handelnden Personen am Ende des Romans. Dort wird auch
vermerkt, wer historisch verbürgte Personen sind. Dabei fand ich es
überraschend, wie wenige wirklich gelebt haben. Anhand der
Beschreibungen des Autors hatte ich das Empfinden, dass viel mehr
tatsächlich gelebt haben, weil sie so lebendig und authentisch
auftraten. Trotzdem wird in vielen Abschnitten schnell deutlich, wie
ausführlich der Autor recherchiert hat und wie viele kleine
historische Details in den Roman eingebunden wurden.
Mit den Protagonisten hatte ich wenige
Probleme, sie waren interessant, freundlich, lebendig und mit
besonderen Zügen dargestellt. Am sympathischsten waren mir meist die
einfachen Leute St. Paulis. Sie waren unglaublich bodenständig,
hatten ein gutes Herz, das sie gerne versteckt haben und waren
füreinander da. Einmal in die Gemeinschaft aufgenommen, haben sie
ihre Leute vollkommen unterstützt und einander geholfen. Diese
Einheit und tiefe Freundschaft war einfach beeindruckend und
wundervoll.
Die gesamte Familie von Haiden war
interessant. Gerade bei den Eltern Viktorias fiel es mir unglaublich
schwer, sie einzuschätzen, eine Bindung aufzubauen oder hinter ihre
Fassade zu blicken. Sie blieben für mich immer etwas steif und nur
selten blitzte ein menschlicher Funke durch, dies noch mehr bei dem
Vater als bei der Mutter. Ich habe über ihre Charaktere ein bisschen
nachgedacht und muss am Ende ehrlich sagen, dass es mich nicht
sonderlich gestört hat, dass sie etwas distanziert dargestellt
wurden. So verkörpern sie die angesehene Bürgerschicht perfekt und
geben ein Bild dieser Gesellschaft mit allen Tabus, aber gern
gesehenen Dingen.
Bei Viktoria brauchte ich einige Zeit,
um mit ihr warm zu werden. Von Anfang an habe ich ihre Stärke
bewundert, trotzdem fiel es mir ziemlich schwer, einen Draht zu ihr
zu finden. Sie war mir am Anfang etwas merkwürdig, sie wirkte
anfangs nicht selbstbewusst genug in ihrem Auftreten, erinnerte mich
eher an einen Teenager, der unbedingt seinen Willen durchsetzen will.
Erst später, als Vicki entdeckt, was sie will und eine Lösung
findet, ihrem Wunsch nachzugehen, hatte sie meine Sympathie.
Fazit:
Das Buch war unglaublich interessant
geschrieben, hatte eine wunderbare Schreibweise und realistisch
dargestellte Charaktere, die mir meist sympathisch waren und oft
bodenständig aufgetreten sind. Dazu war das Setting und die
Unterschieden zwischen Arm und Reich hervorragend dargestellt und
haben mir am Besten an der ganzen Handlung gefallen.
Zwei kleine Kritikpunkte habe ich: ab
und an hat mir eine genauere Jahresangabe gefehlt und das Ende war
hektisch und zu kurz dargestellt. Ich hätte mir ein paar mehr
Erklärungen gewünscht und dafür gerne einige Seiten mehr gelesen.
Im Gesamten kann ich das Buch auf jeden Fall empfehlen, es wurde
hervorragend recherchiert und die Handlung ist öfter mal
überraschend, auf jeden Fall immer Spannend gehalten.
Bewertung: 4,5 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Aufbau Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
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