Mittwoch, 16. September 2020

Rezension: Die Frauen von Gut Falkensee von Luisa von Kamecke

Titel: Die Frauen von Gut Falkensee
 Autorin: Luisa von Kamecke
Verlag: Lübbe
Seitenzahl: 397 Seiten
 Preis: 11,00 €
Erscheinungsdatum: 28.08.2020
ISBN:978-3-404-18058-5

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Handlung:

Westpreußen 1904
Eigentlich plant Charlotte von Bargelow ein ganz anderes Leben. Sie möchte frei sein, weiter in Paris studieren und einen Mann heiraten, den sie wirklich liebt. Doch um den verschuldeten Familiensitz zu retten, geht Charlotte eine Vernunftehe mit dem wohlhabenden Witwer Baldur von Krammbach ein. Und das, obwohl sie kurz vor der Hochzeit einen Mann kennengelernt hat, den sie wirklich liebt. Doch eine Zukunft mit dem Polen Karol scheint vollkommen ausgeschlossen. Kann Charlotte mit Baldur einigermaßen glücklich werden und den anderen, jüngeren Mann vergessen? Schließlich muss Charlotte eine Entscheidung treffen, die ihr Leben verändert und die über die Heimat der Familie von Bargelow entscheidet...

Meinung:

Ich mag das Cover recht gerne. Es hat einen verblassten Filter, was auf die Handlungszeit zurückführen sein könnte, im Hintergrund gibt es ein schönes Herrenhaus, welches durchaus das Hauptgebäude von Gut Falkensee darstellen könnte. Dazu ist ein Ausschnitt eines wunderschön angelegten Parks zu sehen, bei dem ich mir gut vorstellen kann, dass Charlotte, Alice, Veronika und Co. dort entlang flanieren. Der Himmel ist stellenweise ein wenig dunkler dargestellt, vielleicht deutet dies auf kommende, schwierigere Zeiten hin.
Im Vordergrund sieht man eine Dame, die dem Betrachter den Rücken zugewandt hat. Dazu hatte ich irgendwo gelesen, dass es sich um Charlotte von Bargelow handeln soll, was ich mir gut vorstellen kann. Sie nimmt im Roman eine der Hauptrollen ein, ist fast immer präsent und ich würde behaupten, dass man sie als Leser am besten kennenlernt, sie die meisten Facetten zeigt. Insgesamt kann man also einige Zusammenhänge mit der Handlung finden und ich mag das Cover gerne. Es würde mich in einer Buchhandlung definitiv ansprechen!

Mir ist der Roman erstmals in der Verlagsvorschau aufgefallen und er wanderte direkt auf meine Wunschliste. Vor einigen Wochen hatte ich mir dann mal die Leseprobe des Buches angeschaut und mein erster positiver Eindruck hatte sich nochmals bestätigt. Und damit hat sich mein Wunsch nochmals verstärkt, den ersten Band der Westpreußen-Saga zu lesen und in die Welt der von Bargelows einzutauchen. Freundlicherweise wurde mir der Roman vom Bastei Lübbe Verlag zur Verfügung gestellt, wofür ich mich wiederholt ganz herzlich bedanken möchte!

Ich muss sagen, dass mir durchweg ein Personenverzeichnis gefehlt hat. Es gibt sowohl Kapitel von den von Bargelows, als auch Einblicke in das Leben von deren Dienstboten. Und hier ist es mir teilweise etwas schwer gefallen genau zu benennen, welche Person genau welche Stellung einnimmt. Dabei hatte ich besonders Probleme bei den Küchen- und Dienstmädchen, ich konnte mir leider nie genau merken, welche Position sie im Haushalt genau einnehmen. Daher wäre für mich ein Verzeichnis der handelnden Personen mit dem Zusatz, welcher Arbeit sie im Haus nachgehen, ganz angebracht gewesen, zumal die Anzahl der auftretenden Menschen schon recht hoch war.

Ich hatte absolut keine Probleme damit, in die Handlung zu starten und mich auf diese einzulassen. Der Anfang war mir ja eh von der Leseprobe bekannt und ich habe mich gefreut, dass ich danach endlich weiterlesen konnte und bin voller Vorfreude und Interesse in die Welt von Gut Falkensee eingetaucht. Und ich muss sagen, dass mich die Geschichte schnell in ihren Bann gezogen hat, ich mochte ganz viele Aspekte des Buches, mochte die vielfältige Art der Erzählung und hatte einfach Spaß daran, die Charaktere zu begleiten und sie dabei zu beobachten, wie sie sich entwickeln!
Und auch die Schreibweise hat ganz viel dazu beigetragen, dass ich den Roman flüssig lesen konnte und ihn damit leider auch viel zu schnell ausgelesen hatte. Ich finde, dass die Sprache durchaus etwas der Handlungszeit angepasst wurde, ab und an kommen Begriffe vor, die heute nicht mehr so aktuell sind, deren Bedeutung mir aber trotzdem bekannt war. Dies hat meinem Lesefluss keine Probleme bereitet, sondern es hat zur Authentizität beigetragen und einen Teil der Stimmung ausgemacht.
Immer wieder gibt es stimmungsvolle Momente, die unterschiedlicher Natur waren. Oft war die Stimmung im Zusammenhang mit Frederick etwas gedrückt und es war deutlich eine traurige Aura spürbar. Und auch andere Stimmungen werden durchlebt, dazu zählt sowohl Freude als auch Wut, Enttäuschung und Hoffnung. Ich mag es, dass so viele unterschiedliche Gemütszustände vorkommen und in dieser Hinsicht so viel Variabilität geboten wird. Dadurch wirkte die Handlung auf mich lebendig und echt und viele Szenen wirkten so, als wären sie direkt aus dem Leben gegriffen.

Bisher kamen historische Details vor allem in der Lebensweise der Menschen vor. Man erhält ja sowohl einen Einblick in die Welt der Herrschaft, als auch in die der Dienerschaft. Und dabei erkennt man die sozialen Unterschiede, lernt unterschiedliche Lebensweisen und Tagesabläufe kennen. So habe ich mir tatsächlich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie früher Eis hergestellt wurde. Es werden u.a. solche Dinge im Roman geklärt und ich finde, dadurch ergibt sich ein runder Bild des Lebens am Anfang des 20. Jahrhunderts. Es ist außerdem spürbar, dass sich im Deutschen Reich schon einige Veränderungen andeuten, u.a. wird die Arbeit in Fabriken immer reizvoller und die Dienstboten haben ein wenig mehr Freiheiten. Anhand solcher Details finde ich, dass sich eine angenehme Fülle an historischen Informationen im Roman befindet und ich bin damit vollkommen zufrieden!
Und auch über die Geschichte Polens, die mir zugegebenermaßen absolut nicht bekannt ist, werden einige Entwicklungen und Zustände genannt. Hier konnte ich stark mein Wissen erweitern und ich bin gespannt, wie sich diese im zweiten Band weiterentwickeln.

Ganze fünf Jahre vergehen auf den knapp 400 Seiten, wobei nicht jeder Monat und jedes Jahr ausführlich und mit allerhand Details versehen wird. Im Gegenteil, immer wieder gibt es Zeitsprünge, die die Handlung geschickt verkürzen und bei denen ich trotzdem nie das Gefühl hatte, etwas zu verpassen. Es war sogar angebracht, einige Zeiten immer mal zu überspringen, um die Handlung stets spannend und interessant zu halten. Zudem konnten erst gar keine Längen entstehen, die Geschichte hatte immer Schmackes und es hat Spaß gemacht, immer weiterzulesen.
Außerdem hat es mir gefallen, wie durch die Zeitsprünge ein episodenhaftes Erzählen entsteht. Man ist immer bei besonderen und für die weitere Handlung wichtigen Momenten als Leser mit dabei und ich habe mich dabei teilweise wie ein heimlicher Besucher der Szenen gefühlt. Zudem sticht der Roman durch diese Art der Erzählung stark hervor und zeichnet sich aus.
Es gibt einen allwissenden Erzähler, der eindeutig über viele Aspekte der Handlung informiert ist, diese dem Leser aber nur häppchenweise präsentiert und preis gibt. Auf diese Weise merkt man, dass die folgende Handlung weiterhin einen spannenden Charakter haben wird. Zudem gibt der Erzähler immer wieder ein paar Gedanken der Protagonisten preis, sodass man sich mit diesen etwas verbundener fühlt.
Außerdem nimmt der Erzähler verschiedene Positionen ein und so gibt es immer eine Person, die am Anfang eines jeden Kapitels genannt wird und aus deren Sicht die folgenden Ereignisse beschrieben wird. Dabei kann es sich um Charlotte oder ihren Bruder Frederick handeln, zwei der von Bargelow Sprösslinge, oder um Personen, die den Dienstboten angehören. So entsteht nicht nur eine vielfältige und abwechslungsreiche Sicht auf die Dinge, sondern man lernt unterschiedliche Stände kennen und kann nachvollziehen, wie die Menschen am Anfang des 20. Jahrhunderts gelebt haben. Finde ich sehr gelungen und ich mochte es sehr, wie sich die einzelnen Stränge immer mal miteinander verbunden haben und am Ende eine runde Geschichte ergeben haben.

Am Anfang neuer Kapitel wird also nicht nur erwähnt, welche Person gerade im Mittelpunkt steht und aus welcher Sicht folgende Ereignisse beschrieben werden, sondern auch der Handlungsort und die Zeit finden Erwähnung. Ein sehr wichtiges Detail, gerade durch die Zeitsprünge wäre man sonst vollkommen verloren und ich hätte nicht genau benennen können, wie viele Jahre genau vergangen sind. Und auch die Benennung des Ortes fand ich richtig gut. Ab und an gibt es doch einen wechselnden Handlungsort, so konnte man immer genau nachvollziehen, wo sich die Personen gerade aufhalten!

Als Haupthandlungsort dient das Gut Falkensee, andere Settings tauchen seltener auf. Eines haben alle gleich: sie wurden mit wenigen, eindrucksvollen und bildhaften Worten beschrieben und verströmten gewisse Stimmungen. Ein jeder Ort, egal ob dort viele oder wenige Szenen stattfinden, wurde gleichwertig behandelt und hat eine gute Zeichnung erhalten.
Mein liebster Handlungsort war ja durchweg Gut Falkensee. Ich fand das Hauptgebäude und die umliegenden Landschaften einfach traumhaft und konnte mir diese richtig gut vorstellen. Zudem fanden dort die meisten Szenen statt und dementsprechend lernt man diese Örtlichkeit als Leser auch am besten kennen. Dort hatte ich außerdem die detailreichsten Bilder und ich empfand die Dynamik als besonders. Gerade die Familienszenen waren einfach grandios!

Ich mochte die Vielfalt der Protagonisten sehr! Es gibt solche, die man auf den ersten Blick als sympathisch einschätzt, sich aber am Ende täuscht und das Ganze gibt´s auch vice versa. So kann man sich nie genau sicher sein, in welche Richtung eine Entwicklung gehen wird und auch dadurch bleibt die Handlung stets spannend.
Ganz besonders hat mir das Zusammenspiel von Dienerschaft und der Familie von Bargelow gefallen. Solche Verhältnisse mag ich in Romanen eh immer sehr gerne und auch hier empfand ich die Dynamik ganz besonders. Man lernt die Gedanken übereinander kennen und kann als Leser in beide Welten reinschnuppern.
Ich muss sagen, dass mir bis auf eine Ausnahme alle Personen gefallen haben. Egal ob ich sie als sympathisch oder unsympathisch eingeschätzt habe. Sie hatten etwas an sich, was besonders war und sie ausgezeichnet hat. Ein jeder Protagonist hat einen durchdachten und einzigartigen Charakter erhalten. Bei der Vielzahl an Personen ist dies wirklich bemerkenswert.
Leider empfand ich Karol durchweg als etwas schwierig. Ich mochte sein Auftreten, seine Art zu denken einfach nicht. Es hatte oft den Anschein, als würde er nur an sich denken und die Probleme anderer nicht immer als wichtig einstufen. Ich hätte mir gewünscht, dass er mitfühlender ist und versucht, Charlotte, ihre Ängste, Sorgen und Nöte zu verstehen. Stattdessen hat er einen Tunnelblick aufgesetzt und nur seine Angelegenheiten hatten Bedeutung. Karol hat nicht einmal versucht, sich in die Lage von Charlotte hineinzuversetzen und daher hatte ich nur wenige Sympathien für ihn. Bei ihm hätte ich es gut gefunden, wenn er sich entwickelt hätte und mehr auf seine Mitmenschen geachtet hätte.

Fazit:

Mein einziger kleiner, aber nicht zu verachtender Kritikpunkt ist die Darstellung und das Auftreten von Karol. Dazu hatte ich ja gerade einiges gesagt und wäre er nicht gewesen oder hätte er ein verständnisvolleres Wesen erhalten, hätte ich volle Punktzahl für den Roman gegeben.
Eine Familiengeschichte ganz nach meinem Geschmack. Es gibt nicht nur Einblicke in die Welt der Herrschaft, sondern auch in die der Dienstboten. Die Geschehnisse wurden auf bodenständige und authentische Art beschrieben. Es gibt nicht zu viel Drama und es hat einfach Spaß gemacht, den Roman zu lesen.
Ich bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung und freue mich auf jeden Fall auf ein Wiedersehen mit der Familie von Bargelow! Dicke Leseempfehlung meinerseits!

Bewertung: 4,5 von 5 Sternen

MarySophie 

Vielen Dank an den Bastei Lübbe Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars! 
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.


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