Mittwoch, 15. April 2020

Rezension: Das Erbe der Altendiecks von Hendrik Lambertus

Titel: Das Erbe der Altendiecks
Autor: Hendrik Lambertus
Verlag: rororo
Seitenzahl: 640 Seiten
Preis: 12,00 €
Erscheinungsdatum: 24.04.2020
ISBN: 978-3-499-27608-8

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Handlung:

Bremen im 18. Jahrhundert
Die Familie Altendieck hat sich ihre Bekanntheit in Bremen hart erarbeitet und kann sich mittlerweile zu den angesehensten Familien der Stadt zählen. In aufwendiger Kleinarbeit werden kunstvolle Uhren hergestellt, die alle das Siegel Altendieck erhalten und für eine exzellente Qualität stehen.
Doch auch die Uhrmacher können die Zeit nicht aufhalten und es geschehen allerlei positive, aber auch negative Ereignisse. Und die Zeit wird immer weiter vergehen....
Johann Altendieck vollbringt eine große Leistung und erhofft sich Anerkennung und eine famose Zukunft. Doch er wird die Familie fast in den Abgrund stürzen.
Seine Tochter Gesche ist begabt und hat ebenfalls einen großen Plan. Doch sie wird sich in einem Menschen täuschen und muss am Ende eine schwerwiegende Entscheidung treffen.
Und sein Enkel Nicolaus erlebt nicht nur einen Krieg mit, sondern auch eine hoffnungslose Liebe. Und merkt, dass diese in seiner Familie nicht die größte Rolle spielt...

Meinung:

Das Cover wurde recht schlicht und historisch gestaltet. Der Himmel wird von einem beige Ton dominiert, der sich auch über die Rückseite des Buches erstreckt. So entsteht ein altmodischer Charme, der durch die kleine Stadtszene am unteren Rand noch verstärkt wird. Diese wirkt lebendig und gibt anhand der Mode der Personen einen kleinen Einblick in die damalige Zeit. Aufgelockert wird das gesamte Bild anhand der roten Schrift des Titels, welche heraussticht und das Gesamtbild abrundet.

Ich hatte das Buch zum ersten Mal in der Verlagsvorschau gesehen und der Titel wanderte direkt auf meine Wunschliste. Es klang nach einem spannenden historischen Roman, vor allem hat mich der Fakt interessiert, dass schon bei der Inhaltsangabe genannt wird, dass sich die Handlungszeit über mehrere Jahrzehnte erstrecken wird. So hatte ich einen vielfältigen Blick auf die Familie Altendieck erwartet und bin davon ausgegangen, dass viele historische Ereignisse eingebunden werden. Zudem kann ich mich gerade nicht erinnern, wann und ob ich jemals ein Buch über eine Uhrmacherfamilie gelesen habe. Daher hatte ich natürlich auch einige Informationen über dieses Handwerk erwartet.
Ich war sehr glücklich darüber, das Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten und mir so eine Meinung von der Geschichte zu machen. Auch an dieser Stelle noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön dafür!

Als es für mich an der Zeit war, das Buch in die Hand zu nehmen und mit dem Lesen zu beginnen, war ich nicht komplett motiviert. Zum einen bin ich mit meiner vorherigen Lektüre nicht wirklich vorangekommen und war davon nicht sehr begeistert. Zum anderen war ich etwas ernüchtert, dass das Buch knapp über 600 Seiten hat und ich konnte nicht einschätzen, wie lange ich mit dem Lesen brauchen werde.
Schnell wurden all meine Bedenken und mögliche Zweifel weggefegt, mir hat die Handlung bereits nach wenigen Seiten gefallen und ich habe das Buch viel schneller durchgelesen als gedacht und geplant. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, jeden Tag um die 150 Seiten zu lesen, diesen Roman konnte ich nur schwer aus der Hand legen und habe teilweise gut 200 Seiten gelesen. So war das Buch tatsächlich nach vier Tagen schon ausgelesen, was mich selbst überrascht hat.

Die Schreibweise hat bei mir zu einem schnellen und flüssigen Lesen beigetragen. Charaktere, aber auch die Situation wurde mit wenigen Worten gut umschrieben und gehen nicht zu sehr in die Tiefe, bleiben aber auch nicht zu oberflächlich. Man kann sich ganz gut in die Geschichte eindenken und es wird nicht jedes Detail unnötig ausgeweitet. So können erst gar keine Längen entstehen und die Handlung bleibt immer spannend und verliert nie ihren Charme.
Das Buch wurde in vier Teile gegliedert, die jeweils für die vier verschiedenen Zeiten stehen, in denen man die Familie Altendieck begleitet. Hierbei gibt es auf derselben Seite, wo auch die Jahreszahl der folgenden Handlung vermerkt ist, einen kleinen Stammbaum der Familie. So hat man die wichtigsten Personen immer auf einen Blick und kann sich ein Bild davon machen, wie sich die Familie vergrößert und welche Protagonisten noch am Leben sind und welche bereits verstorben sind.

Oft habe ich am Anfang eine neuen Teils gedacht, dass dieser nicht so spannend und interessant beginnt wie der vorherige. Ich war da immer ganz kurz etwas enttäuscht und hatte schon Angst, dass mich dieser neue Abschnitt nicht so fesseln kann und ich mich vielleicht zum weiterlesen quälen muss. Doch nach einigen Seiten war diese Angst auch schon wieder unbegründet, ich bin dem neuen Teil mit ebenso viel Interesse gefolgt wie den vorherigen und kann am Ende keinen Teil benennen, welcher mir am besten oder am wenigsten gefallen hat. Ein jeder hatte seinen eigenen Charme und konnte überzeugen.

Immer wieder werden mehr oder weniger große Zeitsprünge genutzt, die teils nur wenige Wochen umfassen, teils aber auch mehrere Jahre. Einerseits hat mich dies nicht sonderlich gestört, so verlor die Geschichte nie ihren Schmackes und wurde nicht zu umfassend. Doch gleichzeitig kamen mir einige Auslassungen auch unpassend vor, gerade weil im Folgenden nichts weiteres dazu erwähnt wird. Ab und an hätte es mir gefallen, wenn es eine Auflösung zu manchen Situationen gegeben hätte. Es werden einige Monate in einem einzigen Satz abgetan und es gibt nur selten eine kleine Information, was in der Zeit passiert ist. Gerade für die zwischenmenschlichen Beziehungen hätte ich es gut gefunden, wenn es ein paar mehr Sätze dazu gegeben hätte und wie manche Personen mit ihren vorherigen Erlebnissen mittlerweile umgehen. Dazu nenne ich als ein Beispiel mal Gesches Hochzeit und ihre Meinung über ihre Ehe und ihre getroffene Entscheidung.

An manchen Textstellen kann man sehr gut mit den Charakteren mitleiden und eine Bindung aufbauen. Dann werden sie unglaublich greifbar und lebendig. Doch im Grunde sind diese Textstellen recht rar gesät, meist gibt es nicht sonderliche viele Emotionen, die auch an den Leser vermittelt werden. Ein paar mehr Szenen, in denen man sich mit den Protagonisten verbundener fühlt wären ganz nett gewesen und hätten der Handlung definitiv mehr Lebendigkeit gegeben. Doch im Grunde gibt es meist ein recht ausgeglichenes Verhältnis von geschichtlichen Fakten und einer erfundenen Uhrmacher-Familie, wo zu viele Emotionen vielleicht auch zu viel gewesen wären und der Roman seine Ernsthaftigkeit verloren hätte.

Wie gerade erwähnt, der Autor hat eine interessante Mischung geschaffen, in denen weder die Geschichte, noch die Familie Altendieck zu kurz kommt. Jedoch ist dieses Verhältnis nicht ganz gleich, in der ersten Hälfte des Buches steht mehr die Familie im Mittelpunkt und die historischen Fakten etwas im Hintergrund. Es kommen trotzdem zahlreiche kleine Details dazu zur Sprache, doch ich habe hier das Gefühl, dass die zwischenmenschlichen Aspekte und Beziehungen wichtiger sind und eine größere Rolle einnehmen. In der zweiten Hälfte des Romans ändert sich dies, hier wird der Fokus mehr auf Fakten gelegt, die tatsächlich so oder so ähnlich geschehen sind. Das fand ich etwas schade, die Familie Altendieck kam mir hier etwas zu kurz und mir war der Wandel zu plötzlich. Schließlich wird hier mit einer Uhrmacher-Saga geworben und da hatte ich erwartet, dass die Altendiecks durchweg im Vordergrund stehen und die historischen Ereignisse in den Hintergrund rücken.
Das fand ich etwas schade, wobei ich auch erwähnen muss, dass es mir gleichzeitig gut gefällt, wie viele Fakten es am Ende in die Handlung geschafft haben und das man mit der Lektüre gut einhundert Jahre durch die Geschichte reist und viel über die Politik und historische Fortschritte erfährt. Ich muss sagen, dass mir diese Idee, vier Generationen von Uhrmachern auf ihrem Weg zu begleiten, sehr gut gefällt und ich auf die Umsetzung dessen gespannt war. Ich hatte meine Bedenken, ob dies so ansprechend und interessant umgesetzt wird und muss sagen, dass ich davon sehr begeistert bin und gerne mehr solcher Romane hätte, die einem auf mehreren Seiten durch ein Jahrzehnt mitnehmen und signifikante Momente in dieser Zeit nennen.
Auch zu dem Uhrmacherhandwerk gibt es immer wieder Informationen und diese werden sehr geschickt in die Handlung eingebunden. Viele Aussagen haben durch die Blume immer wieder zu diesem Thema geführt oder es gibt Situationen, die mit einem Uhrwerk und dem Mechanismus verglichen werden.

Als Setting dient zu weiten Teilen Bremen, es gibt nur wenige Ausflüge in andere Städte. Der spannendste war für mich die Reise nach England. Ich fand, dass es dem Autor hervorragend gelungen ist, den Charme dieses Landes einzufangen und mit seinen Worten wiederzugeben. Ich konnte mir nicht nur markante Gebäude, sondern jede einzelne Straße und die Mode sehr gut vorstellen und habe so das Gefühl, eine authentische Darstellung des Landes zu dieser Zeit erhalten zu haben.
Von dem Setting in Bremen habe ich mir besonders das Wohnhaus mit der Werkstatt der Familie Altendieck lebhaft und mit vielen Bildern vor Augen vorstellen können. Von diesem Ort geht eine besondere Aura aus, die mir stets gut gefallen hat. Vielleicht weil der Ort ziemlich häuslich und bodenständig wirkt, vielleicht auch durch die Protagonisten, die sich in diesem Umfeld eindeutig wohl fühlen. Ich denke auch die Standuhr Hora hat daran ihren Anteil. Sie bekommt auf den ganzen 617 Textseiten immer wieder eine Erwähnung und zieht sich am Ende wie ein roter Faden durch die Handlung.

In den knapp einhundert Jahren Erzählzeit treten einige Personen auf, dabei steht immer die Familie Altendieck im Vordergrund. Ich muss aber trotzdem sagen, dass ich nie Probleme damit hatte, die anderen Protagonisten auseinanderzuhalten oder wiederzuerkennen. Ein jeder wurde mit wenigen Sätzen genau gezeichnet und blieb im Gedächtnis verankert.
Ich fand nicht, dass die Altendiecks mit besonderen Zügen ausgestattet wurden, sie sind ganz normale Personen, die bodenständig sind und sich mit ihrem Können auszeichnen. Oft habe ich mir ein paar mehr sympathischere Züge bei einigen gewünscht, doch gleichzeitig finde ich es nicht so wichtig, dass man Charaktere mag. Hauptsache sie sind gut dargestellt und man kann mit ihnen während der Lektüre eine angenehme Zeit verbringen. Und genau das habe ich mit ihnen.

Fazit:

Wow. Die Reise durch fast einhundert Jahre Geschichte verging unglaublich schnell. Es ist bemerkenswert, wie der Autor all diese Dinge zusammengefasst und verständlich und einprägsam wiedergegeben hat. Ich habe mich nie überfordert gefühlt und gerade den großen Wunsch, mehr solcher Bücher zu lesen, in denen so viele Jahre der Geschichte mit einer fiktiven Familie vermischt werden.
Ich bin wirklich glücklich mit dem Buch, es hat sich unglaublich gut lesen lassen und ich hatte große Freude damit. Fast war ich traurig, dass es nach über 600 Seiten ein Ende gefunden hat, ich mochte die Geschichte sehr und fühlte mich sehr gut unterhalten.
Kleine Details waren nicht perfekt und haben den Roman leider nicht zu einem Highlight gemacht. Trotzdem kann ich das Buch mit gutem Gewissen weiterempfehlen und bin sehr froh, die Geschichte gelesen zu haben. Ich hoffe auf ein Wiedersehen mit der Familie Altendieck!

Bewertung: 4 von 5 Sternen

MarySophie 

Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars! 
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.

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