Titel: Das Erbe der Altendiecks
Autor: Hendrik Lambertus
Verlag: rororo
Seitenzahl: 640 Seiten
Preis: 12,00 €
Erscheinungsdatum: 24.04.2020
ISBN:
978-3-499-27608-8
Handlung:
Bremen im 18. Jahrhundert
Die Familie Altendieck hat sich ihre
Bekanntheit in Bremen hart erarbeitet und kann sich mittlerweile zu
den angesehensten Familien der Stadt zählen. In aufwendiger
Kleinarbeit werden kunstvolle Uhren hergestellt, die alle das Siegel
Altendieck erhalten und für eine exzellente Qualität stehen.
Doch auch die Uhrmacher können die
Zeit nicht aufhalten und es geschehen allerlei positive, aber auch
negative Ereignisse. Und die Zeit wird immer weiter vergehen....
Johann Altendieck vollbringt eine große
Leistung und erhofft sich Anerkennung und eine famose Zukunft. Doch
er wird die Familie fast in den Abgrund stürzen.
Seine Tochter Gesche ist begabt und hat
ebenfalls einen großen Plan. Doch sie wird sich in einem Menschen
täuschen und muss am Ende eine schwerwiegende Entscheidung treffen.
Und sein Enkel Nicolaus erlebt nicht
nur einen Krieg mit, sondern auch eine hoffnungslose Liebe. Und
merkt, dass diese in seiner Familie nicht die größte Rolle
spielt...
Meinung:
Das Cover wurde recht schlicht und historisch gestaltet. Der Himmel wird von einem beige Ton dominiert, der sich auch über die Rückseite des Buches erstreckt. So entsteht ein altmodischer Charme, der durch die kleine Stadtszene am unteren Rand noch verstärkt wird. Diese wirkt lebendig und gibt anhand der Mode der Personen einen kleinen Einblick in die damalige Zeit. Aufgelockert wird das gesamte Bild anhand der roten Schrift des Titels, welche heraussticht und das Gesamtbild abrundet.
Ich hatte das Buch zum ersten Mal in
der Verlagsvorschau gesehen und der Titel wanderte direkt auf meine
Wunschliste. Es klang nach einem spannenden historischen Roman, vor
allem hat mich der Fakt interessiert, dass schon bei der
Inhaltsangabe genannt wird, dass sich die Handlungszeit über mehrere
Jahrzehnte erstrecken wird. So hatte ich einen vielfältigen Blick
auf die Familie Altendieck erwartet und bin davon ausgegangen, dass
viele historische Ereignisse eingebunden werden. Zudem kann ich mich
gerade nicht erinnern, wann und ob ich jemals ein Buch über eine
Uhrmacherfamilie gelesen habe. Daher hatte ich natürlich auch einige
Informationen über dieses Handwerk erwartet.
Ich war sehr glücklich darüber, das
Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten und mir so eine Meinung von
der Geschichte zu machen. Auch an dieser Stelle noch einmal ein ganz
herzliches Dankeschön dafür!
Als es für mich an der Zeit war, das
Buch in die Hand zu nehmen und mit dem Lesen zu beginnen, war ich
nicht komplett motiviert. Zum einen bin ich mit meiner vorherigen
Lektüre nicht wirklich vorangekommen und war davon nicht sehr
begeistert. Zum anderen war ich etwas ernüchtert, dass das Buch
knapp über 600 Seiten hat und ich konnte nicht einschätzen, wie
lange ich mit dem Lesen brauchen werde.
Schnell wurden all meine Bedenken und
mögliche Zweifel weggefegt, mir hat die Handlung bereits nach
wenigen Seiten gefallen und ich habe das Buch viel schneller
durchgelesen als gedacht und geplant. Eigentlich habe ich mir
vorgenommen, jeden Tag um die 150 Seiten zu lesen, diesen Roman
konnte ich nur schwer aus der Hand legen und habe teilweise gut 200
Seiten gelesen. So war das Buch tatsächlich nach vier Tagen schon
ausgelesen, was mich selbst überrascht hat.
Die Schreibweise hat bei mir zu einem
schnellen und flüssigen Lesen beigetragen. Charaktere, aber auch die
Situation wurde mit wenigen Worten gut umschrieben und gehen nicht zu
sehr in die Tiefe, bleiben aber auch nicht zu oberflächlich. Man
kann sich ganz gut in die Geschichte eindenken und es wird nicht
jedes Detail unnötig ausgeweitet. So können erst gar keine Längen
entstehen und die Handlung bleibt immer spannend und verliert nie
ihren Charme.
Das Buch wurde in vier Teile
gegliedert, die jeweils für die vier verschiedenen Zeiten stehen, in
denen man die Familie Altendieck begleitet. Hierbei gibt es auf
derselben Seite, wo auch die Jahreszahl der folgenden Handlung
vermerkt ist, einen kleinen Stammbaum der Familie. So hat man die
wichtigsten Personen immer auf einen Blick und kann sich ein Bild
davon machen, wie sich die Familie vergrößert und welche
Protagonisten noch am Leben sind und welche bereits verstorben sind.
Oft habe ich am Anfang eine neuen Teils
gedacht, dass dieser nicht so spannend und interessant beginnt wie
der vorherige. Ich war da immer ganz kurz etwas enttäuscht und hatte
schon Angst, dass mich dieser neue Abschnitt nicht so fesseln kann
und ich mich vielleicht zum weiterlesen quälen muss. Doch nach
einigen Seiten war diese Angst auch schon wieder unbegründet, ich
bin dem neuen Teil mit ebenso viel Interesse gefolgt wie den
vorherigen und kann am Ende keinen Teil benennen, welcher mir am
besten oder am wenigsten gefallen hat. Ein jeder hatte seinen eigenen
Charme und konnte überzeugen.
Immer wieder werden mehr oder weniger
große Zeitsprünge genutzt, die teils nur wenige Wochen umfassen,
teils aber auch mehrere Jahre. Einerseits hat mich dies nicht
sonderlich gestört, so verlor die Geschichte nie ihren Schmackes und
wurde nicht zu umfassend. Doch gleichzeitig kamen mir einige
Auslassungen auch unpassend vor, gerade weil im Folgenden nichts
weiteres dazu erwähnt wird. Ab und an hätte es mir gefallen, wenn
es eine Auflösung zu manchen Situationen gegeben hätte. Es werden
einige Monate in einem einzigen Satz abgetan und es gibt nur selten
eine kleine Information, was in der Zeit passiert ist. Gerade für
die zwischenmenschlichen Beziehungen hätte ich es gut gefunden, wenn
es ein paar mehr Sätze dazu gegeben hätte und wie manche Personen
mit ihren vorherigen Erlebnissen mittlerweile umgehen. Dazu nenne ich
als ein Beispiel mal Gesches Hochzeit und ihre Meinung über ihre Ehe
und ihre getroffene Entscheidung.
An manchen Textstellen kann man sehr
gut mit den Charakteren mitleiden und eine Bindung aufbauen. Dann
werden sie unglaublich greifbar und lebendig. Doch im Grunde sind
diese Textstellen recht rar gesät, meist gibt es nicht sonderliche
viele Emotionen, die auch an den Leser vermittelt werden. Ein paar
mehr Szenen, in denen man sich mit den Protagonisten verbundener
fühlt wären ganz nett gewesen und hätten der Handlung definitiv
mehr Lebendigkeit gegeben. Doch im Grunde gibt es meist ein recht
ausgeglichenes Verhältnis von geschichtlichen Fakten und einer
erfundenen Uhrmacher-Familie, wo zu viele Emotionen vielleicht auch
zu viel gewesen wären und der Roman seine Ernsthaftigkeit verloren
hätte.
Wie gerade erwähnt, der Autor hat eine
interessante Mischung geschaffen, in denen weder die Geschichte, noch
die Familie Altendieck zu kurz kommt. Jedoch ist dieses Verhältnis
nicht ganz gleich, in der ersten Hälfte des Buches steht mehr die
Familie im Mittelpunkt und die historischen Fakten etwas im
Hintergrund. Es kommen trotzdem zahlreiche kleine Details dazu zur
Sprache, doch ich habe hier das Gefühl, dass die
zwischenmenschlichen Aspekte und Beziehungen wichtiger sind und eine
größere Rolle einnehmen. In der zweiten Hälfte des Romans ändert
sich dies, hier wird der Fokus mehr auf Fakten gelegt, die
tatsächlich so oder so ähnlich geschehen sind. Das fand ich etwas
schade, die Familie Altendieck kam mir hier etwas zu kurz und mir war
der Wandel zu plötzlich. Schließlich wird hier mit einer
Uhrmacher-Saga geworben und da hatte ich erwartet, dass die
Altendiecks durchweg im Vordergrund stehen und die historischen
Ereignisse in den Hintergrund rücken.
Das fand ich etwas schade, wobei ich
auch erwähnen muss, dass es mir gleichzeitig gut gefällt, wie viele
Fakten es am Ende in die Handlung geschafft haben und das man mit der
Lektüre gut einhundert Jahre durch die Geschichte reist und viel
über die Politik und historische Fortschritte erfährt. Ich muss
sagen, dass mir diese Idee, vier Generationen von Uhrmachern auf
ihrem Weg zu begleiten, sehr gut gefällt und ich auf die Umsetzung
dessen gespannt war. Ich hatte meine Bedenken, ob dies so ansprechend
und interessant umgesetzt wird und muss sagen, dass ich davon sehr
begeistert bin und gerne mehr solcher Romane hätte, die einem auf
mehreren Seiten durch ein Jahrzehnt mitnehmen und signifikante
Momente in dieser Zeit nennen.
Auch zu dem Uhrmacherhandwerk gibt es
immer wieder Informationen und diese werden sehr geschickt in die
Handlung eingebunden. Viele Aussagen haben durch die Blume immer
wieder zu diesem Thema geführt oder es gibt Situationen, die mit
einem Uhrwerk und dem Mechanismus verglichen werden.
Als Setting dient zu weiten Teilen
Bremen, es gibt nur wenige Ausflüge in andere Städte. Der
spannendste war für mich die Reise nach England. Ich fand, dass es
dem Autor hervorragend gelungen ist, den Charme dieses Landes
einzufangen und mit seinen Worten wiederzugeben. Ich konnte mir nicht
nur markante Gebäude, sondern jede einzelne Straße und die Mode
sehr gut vorstellen und habe so das Gefühl, eine authentische
Darstellung des Landes zu dieser Zeit erhalten zu haben.
Von dem Setting in Bremen habe ich mir
besonders das Wohnhaus mit der Werkstatt der Familie Altendieck
lebhaft und mit vielen Bildern vor Augen vorstellen können. Von
diesem Ort geht eine besondere Aura aus, die mir stets gut gefallen
hat. Vielleicht weil der Ort ziemlich häuslich und bodenständig
wirkt, vielleicht auch durch die Protagonisten, die sich in diesem
Umfeld eindeutig wohl fühlen. Ich denke auch die Standuhr Hora hat
daran ihren Anteil. Sie bekommt auf den ganzen 617 Textseiten immer
wieder eine Erwähnung und zieht sich am Ende wie ein roter Faden
durch die Handlung.
In den knapp einhundert Jahren
Erzählzeit treten einige Personen auf, dabei steht immer die Familie
Altendieck im Vordergrund. Ich muss aber trotzdem sagen, dass ich nie
Probleme damit hatte, die anderen Protagonisten auseinanderzuhalten
oder wiederzuerkennen. Ein jeder wurde mit wenigen Sätzen genau
gezeichnet und blieb im Gedächtnis verankert.
Ich fand nicht, dass die Altendiecks
mit besonderen Zügen ausgestattet wurden, sie sind ganz normale
Personen, die bodenständig sind und sich mit ihrem Können
auszeichnen. Oft habe ich mir ein paar mehr sympathischere Züge bei
einigen gewünscht, doch gleichzeitig finde ich es nicht so wichtig,
dass man Charaktere mag. Hauptsache sie sind gut dargestellt und man
kann mit ihnen während der Lektüre eine angenehme Zeit verbringen.
Und genau das habe ich mit ihnen.
Fazit:
Wow. Die Reise durch fast einhundert
Jahre Geschichte verging unglaublich schnell. Es ist bemerkenswert,
wie der Autor all diese Dinge zusammengefasst und verständlich und
einprägsam wiedergegeben hat. Ich habe mich nie überfordert gefühlt
und gerade den großen Wunsch, mehr solcher Bücher zu lesen, in
denen so viele Jahre der Geschichte mit einer fiktiven Familie
vermischt werden.
Ich bin wirklich glücklich mit dem
Buch, es hat sich unglaublich gut lesen lassen und ich hatte große
Freude damit. Fast war ich traurig, dass es nach über 600 Seiten ein
Ende gefunden hat, ich mochte die Geschichte sehr und fühlte mich
sehr gut unterhalten.
Kleine Details waren nicht perfekt und
haben den Roman leider nicht zu einem Highlight gemacht. Trotzdem
kann ich das Buch mit gutem Gewissen weiterempfehlen und bin sehr
froh, die Geschichte gelesen zu haben. Ich hoffe auf ein Wiedersehen
mit der Familie Altendieck!
Bewertung: 4 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.
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