Dienstag, 31. März 2020

Rezension: Die Schule am Meer von Sandra Lüpkes

Titel: Die Schule am Meer
Autorin: Sandra Lüpkes
Verlag: Kindler
Seitenzahl: 576 Seiten
Preis: 22,00 €
Erscheinungsdatum: 10.03.2020
ISBN: 978-3-463-40722-7

https://assets.thalia.media/img/artikel/33f56643552f2b103711302d09f0389bdaae31a2-00-00.jpeg

Handlung:

Juist 1925
Eine Gruppe von ambitionierten Lehrern hat sich zusammengeschlossen und auf der Insel Juist ein altes Anwesen gekauft, welches sie in ein Internat umwandeln. Dieses wollen sie zusammen mit ihren Schülern verschönern und nach und nach erweitern. Aber auch die Bildung bleibt nicht auf der Strecke: die Schule soll reformiert werden, persönliche Stärken werden hervorgehoben und so soll den Schülern ein besserer Start ins spätere Berufsleben gegeben werden.
Verschiedene Personen werden auf diesem Weg begleitet, anhand von Eduard Zuckmayer und der Jüdin Anni Reiner gibt es Einblicke in den Lehreralltag, der zehnjährige Schüler Maximilian berichtet sowohl von positiven, als auch von negativen Aspekten und die Insulanerin Kea, welche in der Schule am Meer als Köchin arbeitet zeigt nicht nur ihre Meinung deutlich, sondern bildet die Verbindung zu den anderen Insulanern. Den diese sind nicht vollends von dem Konzept begeistert, es gibt einige negative Stimmen, die einen Fortbestand der Schule unterbinden möchten. Und auch der langsam aufkommende Nationalsozialismus erschwert vielen Bürgern das Leben...

Meinung:

Das Cover ist wunderbar zeitgemäß und ansprechend. Ich finde die Farben sehr passend und mag die Schlichtheit, mit der der Titel, sowie der Name der Autorin gedruckt wurden. Ich kann selbst nicht benennen wieso, aber es erscheint mir genau richtig für die Geschichte.
Am unteren Rand gibt es eine Fotografie von einer Gruppe junger Mädchen. Allesamt tragen Schwimmkleidung und schauen mehr oder minder begeistert in die Kamera. Ich gehe mal davon aus, dass es sich hierbei um Schülerinnen der Schule am Meer handelt. Ich finde es sehr passend, dass solch eine Fotografie eingebunden wurde. Es verbreitet viel Charme und lässt das Cover sehr authentisch wirken.

Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich das Buch wirklich lesen möchte, ob es meinen Geschmack treffen könnte oder ob ich mich am Ende quälen würde, weiterzulesen. Es klang zwar ziemlich interessant, zudem hatte ich von dieser Schule noch nie etwas gehört. Doch gleichzeitig war ich mir unsicher, ob mich die Thematik so anspricht. Am Ende habe ich mir gedacht, dass ich durch das Buch nur schlauer werde und der Geschichte eine Chance gegeben. Und darüber bin ich am Ende mehr als froh!

Auf den Umschlaginnenseiten wurden allerhand Bilder gedruckt, die verschiedene Tätigkeiten, sowie Schüler und Lehrer der Schule am Meer zeigen. So kann man sich nicht nur das Setting noch besser vorstellen, sondern erhält auch einen Blick auf die Schulmode und Lehrer. Bei einigen Personen habe ich mich gefragt, ob sie die Person sein könnten, für die ich sie halte. Auf jeden Fall ist das ein sehr schönes Detail, welches eine einführende Funktion hat und unglaublich angebracht ist. Zudem finde ich, dass sich schon durch so kleine Details zeigt, wie viel und gut die Autorin recherchiert hat.

Vor dem Beginn der Handlung wurde außerdem ein Lageplan eingefügt, der die wichtigsten Gebäude der Schule am Meer auf einer kleinen Karte vermerkt. So kann man bei den Erwähnungen von den Häusern stets darauf zurückgreifen und sich so orientieren. Es wurden auch Nebengebäude eingezeichnet, sodass man sich ein wirklich gutes Bild machen konnte. Eine wichtige Hilfe, ansonsten wäre es mir schwer gefallen, die Gebäude zu verorten.

Für mich wäre es gerade zu Beginn des Buches eine große Hilfe gewesen, wenn es am Anfang ein Personenverzeichnis gegeben hätte. Ab und an tauchten innerhalb von kurzer Zeit einige Namen von Personen auf, die nicht so häufig einen Auftritt haben und die man dann ganz schnell ans Ende des Gedächtnisses verschiebt. Eine Aufzählung der handelnden Personen hätte immer schnell Abhilfe geschaffen und die Person wieder in Erinnerung gerufen. Und aufgrund der recht großen Anzahl an Protagonisten wäre es durchaus sinnvoll gewesen.

Der Prolog lässt sich erst mit dem Lesen des Epilogs verorten und macht in diesem Zusammenhang einen richtigen Sinn. So ist zwar erkennbar, dass dieser einige Jahre nach der eigentlichen Handlung spielt, doch es lässt sich nicht herauslesen, welche Person in der Ich-Form spricht. So kann man zu Beginn schon mal rätseln, wer diese Figur sein könnte, ich kann sagen, dass ich mit meiner Vermutung falsch lag.
Direkt danach beginnt die Hauptgeschichte, man reist mit Anni Reiner und ihren Töchtern zusammen nach Juist. Es gibt einen ersten Blick auf ihre Wesen und ich mag es sehr, dass man die Insel zeitgleich mit ihr erstmals betritt. Auch in Zusammenhang mit dem Ende wird die Geschichte so sehr rund und ich habe mich dadurch ihrem Charakter vertrauter gefühlt.

Schnell hat mir die Schreibweise sehr gut gefallen. Sie ist auf eine besondere Weise hochtrabend, aber nicht zu kompliziert oder gewichtig. Ich konnte der Handlung stets ohne Probleme folgen und das Buch ließ sich sehr flüssig lesen.
Fast durchweg wurde die Handlung recht ruhig und gelassen geschildert, es gibt nicht ständig irgendwelche Dramen oder aufregende Vorkommnisse. Diese waren eher rar gesät und ließen dann natürlich den Spannungsbogen stark steigen. Ich mochte diese natürliche Art. Es passte zu der Geschichte und oft ließ sich das Buch wie ein sehr informatives und anschauliches Tagebuch von den verschiedenen Personen lesen. So hatte ich immer den Eindruck, diesem Teil der Geschichte aktiv beizuwohnen und nicht viele, viele Jahre danach davon zu lesen.

Eine besondere Stimmung kam bei mir leider nicht auf. Lediglich am Ende der Epilog wurde etwas emotionaler gestaltet, ansonsten habe ich nicht so mit den Charakteren mitgefühlt wie bei anderen Büchern. Dafür wurde die Handlung zu einfach und emotionslos geschildert. Mich hat das nicht sonderlich gestört, ich glaube einfach nicht, dass herzzerreißende Szenen zu der Geschichte gepasst hätten. Irgendwie kann ich das nicht in Einklang bringen, weshalb ich die fehlenden Stimmungen nicht als Kritikpunkt werte.

Es findet eine Unterteilung in Kapitel statt, dies ist auch die einzige Möglichkeit, die Geschichte in der Zeit zu verordnen und zu erkennen, in welchem Jahr die folgende Handlung stattfindet. Ansonsten ist nur eine Einordnung in die Jahreszeit möglich, dazu gibt es allerhand kleine Anmerkungen wie das Wetter ist, wovon man sich einiges ableiten kann.
Stets wird die Geschichte von einem allwissenden Erzähler wiedergegeben und erzählt. Nicht nur die Lehrer erhalten eine Stimme, sondern auch verschiedene Schüler, die Insulanerin und Köchin Kea oder ein offener Feind der Bildungseinrichtung. So gibt es verschiedene Blickwinkel, die alle ihren Reiz haben und ein lebendiges Bild der Gesellschaft geben. Zudem mochte ich die Mischung von Insulanern und Zugezogenen und deren Differenzen. Das wirkte sehr authentisch und ich konnte mir lebhaft vorstellen, mit was für negativen Aussagen und Meinungen die Schule leben musste.
Auch den Einblick in die Gedanken der Charaktere fand ich sehr interessant. Es wird ein vielfältiges Bild dargestellt, man kann vieles besser nachvollziehen und versteht manche Motivationen besser. Besonders interessant empfand ich es, den Schülern und dem erklärten Feind der Schule in den Kopf zu blicken und mehr über deren Meinungen zu erfahren. Sie hatten teils einen offeneren Blick als die Lehrer und es war spannend zu beobachten, inwiefern sich diese Art der Schule auf die Schüler auswirkt.
Ich hätte mir noch gewünscht, dass manche Motive der Protagonisten besser aufgelöst oder beschrieben worden wären. Bei manchen tappt man im Dunklen und auch nach dem Beenden der Lektüre kann ich mir davon noch nicht so recht ein Bild machen. Ich kann dazu leider kein Beispiel geben, um nichts von der Handlung zu verraten und mir fällt auch keine Umschreibung ein, die nicht zu viel vorwegnimmt.

Ab und an wird eine gewisse Zeit übersprungen, über die man auch im Folgenden nicht viel erfährt. Wichtige Details werden in die weitere Handlung eingeflochten und tauchen meist auch nicht direkt auf, sondern erst nach einigen Seiten. Normalerweise stört mich so was meist, ich mag immer gerne wissen, was genau in dem Leben der Figuren passiert. Hier hat es zu der Geschichte gepasst, es geht oft nicht so sehr um die einzelnen Protagonisten, sondern um die Charaktere als Einheit. Zudem hätten weitere Informationen über die übersprungene Zeit gewiss den Rahmen gesprengt und dem Buch noch einige Seiten mehr beschert (die ich trotzdem mit Freude gelesen hätte!).

Tatsächlich hatte ich zuvor noch nie von der Schule am Meer gehört. Ich bin bisher weder im Unterricht, noch in einem Buch darüber gestolpert. Mit diesem Buch habe ich also absolutes Neuland betreten und konnte meinen Horizont ganz schön erweitern.
Ich fand es etwas schade, dass es nur recht oberflächliche Einblicke in den Unterrichtsalltag gibt. Es wird viel beschrieben, was auf dem Lehrplan steht, aber ich hätte gerne noch einen tieferen Einblick bekommen. Und sei es nur eine Stunde gewesen, die detaillierter beschrieben wird. Gleichzeitig mag es auch schwer sein, sich so genau vorzustellen, was und wie unterrichtet wurde.
Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche Beschreibungen des Internatslebens. Angefangen von der Aufteilung der Zimmer und Häuser, über die verschiedenen Kameradschaften, Ausflüge und Ereignisse. Man konnte sich so ein ziemlich genaues Bild von dem Leben auf Juist machen, welche Ansprüche gestellt wurden und wie das ganze Zusammenleben war.
Aus diesen Sätzen hat sich auch deutlich herauslesen lassen, wie unglaublich viel Recherche dahintersteckt. Es hatte alles Hand und Fuß, war auf den Punkt erklärt und ließ mir gar keinen Platz zu möglichen Zweifeln.
Auch politische oder soziale Ereignisse fanden immer wieder Erwähnung und haben so einen Blick auf die deutsche Geschichte gegeben. Sei es der aufkommende und sich immer weiter ausbreitende Nationalsozialismus oder auch die Bildung von anderen Reformschulen in Deutschland. Oft tauchen kleine Details in den Sätzen mit auf, die man als natürlich hinnimmt und die einen weiten Blick auf die Situation geben.

Fast durchweg dient die Insel Juist als Setting. Ich hatte ganz oft Bilder vor Augen und konnte mir sowohl die Insel, als auch die Schule am Meer mit all ihren Gebäuden, die nach und nach gebaut wurden, unglaublich gut vorstellen. Manchmal hatte ich das Gefühl, das Rauschen der Wellen zu hören, die Meeresluft zu erschnuppern oder den Sand unter den Füßen zu spüren. Ich konnte mich unglaublich gut auf die Insel einlassen, mich in Gedanken dorthin versetzen und einfach nur genießen. Es gab keinen Moment, an dem mir etwas vom Setting unrealistisch erschien und es ist der Autorin mehr als gelungen, die Schönheit der Insel mit eigenen Worten auf eine lebendige und authentische Weise zu beschreiben.

Auf eine sehr geschickte Art schafft es die Autorin, fiktive und reale Persönlichkeiten zu vermischen und allen sehr lebendige Züge zu geben. Auch die Protagonisten, die nur selten auftauchen haben eine besondere Art und stechen hervor.
Am spannendsten war stets die Entwicklung der Protagonisten. Besonders bei Maximilian ließ sich das verfolgen, er wurde von einem Jungen zum Mann mit eigener Meinung und eigenen Zielen. Seine Entwicklung war wirklich imposant und er schien am Ende auf eine ganz angenehme Art über den Dingen zu schweben. Er hatte für mich so eine alte Seele, die ihn weise und sehr erwachsen hat wirken lassen. Ich fand seinen Charakter durchweg am interessantesten, ich konnte seine Meinungen am besten nachvollziehen und irgendwie hat er mir imponiert.
Von den Lehrern hat mir Anni am besten gefallen. Sie hatte eine freundliche und stets verständnisvolle Art und ich mochte es sehr, wie sie sich für ihre Mitmenschen eingesetzt hat. Auch ihr Denken unterschied sich von den anderen. Anni hatte an manchen Vorhaben Zweifel und konnte eine Situation reflektiert beobachten und ihre Schlüsse daraus ziehen. Sie ist mit vollem Elan an dem Gemeinschaftsprojekt der Schule am Meer, betrachtet die Sache aber auch mal mit Abstand.
Obwohl auf dem Internat recht lockere Regeln gelten, sind mir die anderen Lehrer doch teils recht steif aufgetreten. Sie hatten nicht so herzliche Züge wie gedacht wirkten erhabener. Ich möchte ihnen nicht ihre pädagogische Kompetenz absprechen, doch ich stelle es mir schwierig vor, sie als eine Art Elternersatz anzusehen und bei Problemen oder Ängsten zu ihnen zu gehen.

Fazit:

So recht lässt mich das Buch auch zwei Tage nach dem Beenden nicht los. Ich habe mittlerweile einige Artikel im Internet dazu gelesen und mich weiter informiert. Meine anfänglichen Zweifel waren vollkommen unbegründet, das Buch ist etwas ganz besonderes, welches noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Mich hat die Geschichte unglaublich interessiert und ich konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen. Die Geschichte war unglaublich lebendig und die Mischung aus realen Figuren und Fakten mit fiktiven Personen hat mehr als hervorragend funktioniert.
Trotzdem werde ich einen halben Stern in meiner Bewertung abziehen. Dieser steht stellvertretend für all die kleinen Dinge, die ich bereits erwähnt habe, vor allem aber wegen der fehlenden Herzlichkeit bei den Lehrern.
Ich bin mir sicher, dass ich das Buch noch viele Male weiterempfehlen werde und es immer einen schnell greifbaren Platz in meinem Bücherregal haben wird. Auf seine Art hat mich das Buch wirklich begeistert!

Bewertung: 4,5 von 5 Sternen

MarySophie 

Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars! 
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen