Titel: Die Kleider der Frauen
Originaltitel:The Paris Seamstress ( aus dem Englischen übersetzt von Christine Strüh )
Autorin: Natasha Lester
Verlag: Aufbau Taschenbuch
Seitenzahl: 512 Seiten
Preis: 12,99 €
Erscheinungsdatum: 18.02.2020
ISBN:
978-3-7466-3567-5
Handlung:
Paris 1940
Nach einem langen Arbeitstag und einer
angenehmen Zeit mit Freunden will die junge Haute-Couture-Schneiderin
Estella eigentlich nur in ihr Bett. Doch durch eine zufällige
Begegnung wird sie in eine Mission der Résistance verwickelt. Dabei
lernt sie den mysteriösen Alex kennen, der ihr rät, das Land zu
verlassen. Auch Estellas Mutter unterstützt diesen Ratschlag und
hilft ihrer Tochter bei der Flucht nach New York. Dort soll Estella
ihren großen Traum verwirklichen: ihre fantasievollen,
ausdrucksstarken und bezaubernden Skizzen und Ideen verwirklichen und
sich in der Modewelt einen Namen machen.
So einfach ist der Weg nicht, doch
Estella hat Freunde an ihrer Seite, die sie vollkommen unterstützen.
Doch auch in New York warten allerhand Geheimnisse auf die junge
Frau. Sie trifft Alex aus Paris wieder, ihre Mutter hatte mehr
Heimlichkeiten vor ihr als gedacht und plötzlich steht Estella einer
ganz besonderen jungen Frau gegenüber...
Meinung:
Das Cover ist wunderbar altmodisch, mit leicht verblassten Farben und auch die Damen passen modisch perfekt in die Zeit kurz vor / zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Fast könnte man meinen, man betrachte eine Filmszene, für das sich die Handlung des Buches sehr gut eignen würde. Die Szenerie stellt Paris dar, eindeutig erkennbar anhand des Eiffelturms. Im Vordergrund laufen zwei Frauen, die sich eindeutig vertraut sind und scheinbar ein freundschaftliches Verhältnis miteinander pflegen. Die Farben ihrer Kleidung finden sich auch im Hintergrund wieder, sei es in der Schriftfarbe oder in der Farbe des Himmels. Insgesamt ein mehr als stimmiges Bild, welches einen ganz besonderen Charme hat und durch seine nostalgische Art definitiv auffällt.
Erstmals gesehen habe ich das Buch in der Verlagsvorschau. Und da ist es direkt auf meine Wunschliste gewandert. Die Geschichte klang für mich direkt interessant und mein Lesegeschmack wird mit dem Inhalt genau getroffen. Zudem war ich daran sehr interessiert, mehr über die Résistance zu erfahren und wie Estella das Kriegsgeschehen wahrnimmt und ob sie es schafft, ihren großen Traum in New York zu erfüllen. Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Aufbau Verlag ganz herzlich für das Zusenden des Rezensionsexemplars bedanken. Das Lesen des Buches war nicht nur spannend, sondern hat auf eine angenehme Art auch viele Emotionen mit ins Spiel gebracht.
Ich hatte schon mit einer aufregenden
und handlungsreichen Geschichte gerechnet, doch so viele
Handlungsstränge und Details hatte ich nicht erwartet. Ich hatte den
Roman leichter eingeschätzt und war von der Komplexität sehr
angetan. Die Geschichte lässt sich nicht so nebenbei lesen und ist
auch nicht dafür gemacht, das Buch lange liegen zu lassen und erst
nach einigen Tagen wieder in die Hand zu nehmen. Dafür gibt es viel
zu viele kleine Details, die nicht nur beständig die Spannung
erhöhen, sondern die man auch leicht vergessen könnte. Immer wieder
tauchen neue überraschende Wendungen auf, die sowohl positiver, als
auch negativer Natur sind. Vielleicht habe ich auch dadurch eine
Beziehung zu den Protagonisten aufbauen können und habe die Handlung
mit so viel Interesse verfolgt. Dazu ist es der Autorin gelungen,
dass man aufgrund der vielen Erzählstränge nie durcheinander kommt
und immer sofort klar ist, auf was es gerade eine Anspielung gibt
oder was / wer damit gemeint ist.
Schon nach wenigen Seiten war ich von
der Schreibweise verzaubert. Es gibt immer wieder Sätze, die fast
schon poetisch anmuten, unglaublich viel Wahrheit in sich tragen und
die Handlung auf eine ganz besondere Art wiedergeben. Ich bin fix mit
dem Lesen vorangekommen, wollte das Buch nur selten aus der Hand
legen und war einerseits fasziniert von den Ereignissen, andererseits
auch schockiert von manchen Charakteren und was sie durchmachen
mussten.
Immer wieder wurden historische Details
eingebunden. Diese gab es nicht zu häufig, aber auch nicht zu selten
und wurden anschaulich vermittelt. Als Leser wurde man damit nicht
überfordert und konnte sie genau in die Handlung einordnen, aber
auch geschichtlich verordnen. Und wie ich schon erwähnt hatte, hat
mich vor allem der Fakt der Résistance interessiert. Darüber habe
ich bisher nur spartanisch gehört oder gelesen und war froh, mich in
diesem Aspekt weiterzubilden. Vor allem dazu gibt es zahlreiche
Informationen und ich konnte einiges neues lernen. Ich habe größten
Respekt vor den Leuten, die dieser Gruppierung angehört haben und
nach dem Lesen auch im Internet noch einiges nachgelesen und mich
dazu weiter informiert.
Ein besonderes Highlight war für mich
stets die Stimmung. Ich konnte unglaublich gut mit den Charakteren
mitfühlen, habe mich sowohl mitgefreut, als auch mit ihnen geheult.
Und das ist mir bei einem Buch schon längere Zeit nicht mehr
passiert. Hier haben mich die Ereignisse einfach so mitgenommen und
ich habe mich gefühlt, als wären die Protagonisten nicht nur
Buchcharaktere, sondern lebendige Menschen, mit denen ich irgendwann
mal die Bekanntschaft gemacht habe.
Verteilt wurde die Handlung auf zwei
Zeitebenen. Einmal taucht man mit Estella in das Paris, aber auch New
York der 1940er Jahre ein, eine Zeit, in der das Weltgeschehen, die
Politik, aber auch Kleinigkeiten wie die Mode im Wandel sind. Hier
gibt es sehr tiefgehende Beschreibungen der politischen Situation,
aber auch einige, sehr emotionale Stellen, in denen Details aus
Estellas Privatleben beschrieben werden.
Zum anderen lernt man Fabienne kennen,
die Enkelin von Estella. Dieser Zeitstrang spielt 2015 und berichtet
von dem Weitergang von Stella Designs, sowie kommt die junge Frau
manchen Geheimnissen auf die Spur. Hier kommt auch eine
Liebesgeschichte ins Spiel, die mir etwas zu konstruiert und gewollt
ist und auf die ich gut hätte verzichten können.
Deshalb muss ich sagen, dass mir die
Handlung in der Vergangenheit, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges
aufgrund der abwechslungsreicheren und spontaner wirkenden, aber auch
authentischeren Handlung besser gefallen hat. Die Handlung war
eindringlicher und zudem fand ich Estella und ihre Freunde deutlich
sympathischer und aufregender als Fabienne.
Im Buch werden zwei Städte genutzt, in
denen die gesamte Handlung stattfindet. Die Handlung beginnt in
Paris, kurz vor der Einnahme der Stadt von den Deutschen. Einerseits
kommt der Charme des Ortes durch, an vielen Stellen kann man das
Lebensgefühl der Franzosen spüren und ich konnte mir einige Orte
vorstellen. Dabei schienen die Ereignisse in meiner Vorstellung stets
einen Filter zu haben, der die Welt etwas grauer erscheinen lassen
hat. Das ist wahrscheinlich durch den Krieg und das Wissen geschehen,
wie sich die Lage in Europa und der Welt noch verändern wird. Häufig
hatte ich ein paar Probleme, mir die Gebäude vorzustellen. Sie
wurden zwar mit vielen Details und Besonderheiten beschrieben, doch
meine Fantasie konnte damit nicht so recht etwas anfangen, zudem war
ich nie sehr an der Architektur und den Verschönerungsarten von
Häusern interessiert.
Der größere Teil der Handlung spielt
dann in New York, einer aufregenden und lebendigen Stadt. Genau so
habe ich sie auch wahrgenommen, die Handlung wirkte deutlich
farbenfroher und dynamischer. Hier konnte ich mir viele Gebäude
besser vorstellen und habe die beschriebenen Orte auch deutlicher vor
Augen gehabt. Gerade die Straßen mit den großen Geschäften, aber
auch den Modeateliers haben sehr genaue Bilder entstehen lassen. Hier
wurde der Charme der Stadt aber nicht so deutlich, oft wirkte alles
etwas anonymer und nicht so gesellig wie in Paris.
Insgesamt haben beide Settings Vor-
aber auch Nachteile, gleichen sich aber gut aus. Was ich bei der
einen Stadt kritisiert habe, hat mir bei der anderen gut gefallen und
keinen Anlass zum meckern gegeben.
Es gibt einige Protagonisten, die ich
immer sehr gut auseinanderhalten konnte und die man während der
Lektüre auch nicht vergessen kann. Sie haben ausgewählte
Charaktere, es gibt welche, die keiner Fliege etwas zuleide tun
können und es gibt auch das genaue Gegenteil dessen. Auf diese fiese
und furchtbare Person, der man niemals persönlich begegnen möchte,
will ich nicht zu viel verraten. Sie ist aber auf jeden Fall ein sehr
gelungener Antagonist und zieht negative Meinungen und Eindrücke
vonseiten des Lesers nur so an.
Ansonsten sind die Charaktere meist mit
einem heiteren Gemüt ausgestattet. Viele empfand ich recht
sympathisch und einige würde ich nur zu gerne persönlich
kennenlernen. Mir hat es besonders gefallen, dass man einige
Protagonisten nicht sofort einschätzen konnte und sie einem ihr
Leben nicht direkt auf den Präsentierteller dargeboten haben. Man
hat erst nach und nach etwas zu ihrem Charakter und über die
bisherigen Lebensumstände erfahren. So bleibt allein bei der
Entdeckung der Figuren immer ein Funken Spannung erhalten und man
will natürlich wissen, wie deren Entwicklung ist, den eine
Entwicklung ist bei allen Charakteren zu sehen. Ein jeder wird reifer
und findet mehr zu sich selbst, erkennt Fehler und neue Wege. Dabei
öffnen sich viele, lassen eine Maskerade fallen und zeigen ihr
wahres Ich, welches mich genauso überzeugen konnte wie ihr erster
Auftritt.
Estella steht eindeutig im Vordergrund,
als Leser begleitet man sie auf ihren Lebenswegen und kann mit ihr
ihre Wünsche verfolgen. Sie war mir direkt sympathisch, Estella ist
mutig, fröhlich und aufgeweckt. Ihr Charakter ist mitreißend und
lebensbejahend, was erfrischend ist und dazu beiträgt, dass man sie
einfach mögen muss. Ich finde auch ihre offene Art sehr angenehm,
Estella sagt einfach ihre Meinung und macht sich nicht zu viele
Gedanken, bevor sie spricht. So entstehen interessante, lustige aber
auch manchmal peinliche Situationen, die authentisch wirken.
Insgesamt ist Estella ein sehr lebendiger Charakter, der mir sehr gut
gefallen hat. Ich hätte sie gerne noch besser kennengelernt auf der
zweiten Zeitebene, wo sie eine ältere Dame ist und viel
Lebenserfahrung gesammelt hat. Hier stand Fabienne mehr im
Vordergrund, die für mich nicht so ein spannender Charakter ist wie
Estella.
Mein liebster Charakter war Alex. Ich
fand ihn direkt faszinierend, er hat einen liebenswerten Charakter
und ich mochte es sehr, dass er lange Zeit sehr mysteriös und
geheimnisvoll aufgetreten ist. Dabei verliert er nie seine Manieren
und ist im Grunde ein vollendeter Gentlemen. Seine Entwicklung war
auch am stärksten, Alex hat sich unglaublich verändert und man
konnte beim ihm stets neue Seiten seines Charakters kennenlernen.
Fazit:
Ich bin unglaublich begeistert von dem
Buch, es hat mich vollkommen überzeugen können und ich wollte es
gar nicht aus der Hand legen. Einfach alles hat gestimmt und ein
besonderes Highlight waren die Stimmungen und Emotionen der
Protagonisten, die einfach fantastisch und authentisch beschrieben
wurden und mich während des Lesens mitgenommen haben. Ich habe nach
langer Zeit mal wieder bei einem Buch geheult, was nicht häufig
vorkommt.
Doch auch die Schreibweise oder die
Darstellung der Charaktere war hervorragend, an vielen Stellen hatte
ich das Gefühl, nicht nur eine fiktive Geschichte zu lesen die mit
tatsächlichen Geschehnissen gespickt ist. Nein, ganz oft fühlte es
sich an wie eine Geschichte von Freunden, die genau so tatsächlich
stattgefunden hat. Und das fand ich ganz wunderbar!
Bewertung: 5 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Aufbau Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.
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