Donnerstag, 20. Mai 2021

Rezension: Große Elbstraße 7 - Liebe in dunkler Zeit von Wolf Serno

Titel: Große Elbstraße 7
 Autor: Wolf Serno
 Verlag: Rütten & Loening Berlin
Seitenzahl: 552  Seiten
 Preis: 18,00 €
 Erscheinungsdatum: 12.04.2021
ISBN: 978-3-352-00926-6
 
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Handlung

Jahrelang hat Benno zur Haiden in New York gelebt, nun befindet er sich zusammen mit seiner Tochter auf dem Weg zurück nach Deutschland. Und die Beiden kommen gerade zur rechten Zeit. Seine Schwester Vicki ist gesundheitlich angeschlagen, sie hat ihre Arbeit aufgrund einer Krankheit aufgeben müssen. Zudem fällt es ihr immer schwerer, das Haus an der Großen Elbstraße zu erhalten. Über die Rückkehr ihres Bruders ist Vicki sehr glücklich und sie sieht endlich wieder ein Licht am Ende des Tunnels. Nicht nur tut ihr die Gesellschaft gut, sondern zu dritt schmieden sie erste Pläne, das Haus zu renovieren. Und um all dies in die Tat umzusetzen, engagieren sie einen Architekten. Allerdings gibt dieser anfangs nicht seine richtige Identität an, denn Aron ist Jude und die Nazis erlangen immer mehr Macht...

Meinung

Das Cover mag ich größtenteils recht gern. Es wurden interessante und gut zusammenpassende Farben gewählt, die ein harmonisches Bild ergeben. Im Hintergrund sieht man ein richtig schönes Häuschen, im Vordergrund befindet sich eine Dame, sie scheint auf den Leser zuzugehen. Allerdings empfinde ich ihre Mimik, ihren Gesichtsausdruck zu künstlich, sie wirkt sehr maskenhaft. Daher hätte ich es angenehmer gefunden, wenn sie von hinten zu sehen gewesen wäre, meiner Meinung nach ist ihre Anwesenheit auf dem Cover eh nicht so bedeutend. Lediglich das Haus im Hintergrund, sowie der auffallende Titel hätten sicherlich auch ein harmonisches und schönes Bild ergeben.

Im August 2019 hatte ich den ersten Band der Reihe gelesen und empfand diesen als stimmig und in sich geschlossen. Als ich in der Verlagsvorschau die Ankündigung zu der Fortsetzung gesehen hatte war ich dementsprechend sehr überrascht, habe mich gleichzeitig aber auch gefreut. Ich habe den ersten Teil in guter Erinnerung, die Inhaltsangabe klang überzeugend, auf den ersten Blick hat alles gepasst. Ich wollte mir die Fortsetzung auf keinen Fall entgehen lassen und ich bin sehr glücklich, dass ich den Roman als Rezensionsexemplar erhalten habe. Dafür möchte ich mich beim Aufbau Verlag nochmals herzlich bedanken!

Am Ende des Buches gibt es eine Auflistung mit den wichtigsten handelnden Personen. Ich hätte es als besser empfunden, wenn dies vor dem Start der Handlung abgedruckt worden wäre. So könnte man sich vor dem Lesen bereits einen Überblick verschaffen und schauen, wie die Figuren familiär und freundschaftlich verbunden sind. Ich hatte diese Übersicht leider erst nach dem Beenden des Buches entdeckt, als ich mir das Nachwort und den Dank angeschaut habe. Daher hatte sie für mich keinen Nutzen mehr und ich ärgere mich ein wenig, dass ich nicht vor dem Beginnen des Romans mal nachgeschaut habe, ob es einen Anhang gibt.

Ich hatte schon damit gerechnet, dass ich allerhand Details aus dem ersten Band vergessen habe und mit jeder Seite hat sich diese Vermutung bestätigt. Allerdings war das gar nicht so wild, die Handlung setzt einige Jahre nach dem Ende des ersten Teils ein, weshalb man das Buch prinzipiell auch gut ohne Vorwissen und die Hintergründe aus Band eins lesen kann. Nur selten gibt es Anmerkungen dazu, bei vielen Punkten werden die Informationen einfach gegeben, sodass man sich eigentlich ganz gut in dem Buch zurechtfindet.

Die Schreibweise war ein wenig schwierig. Sie war wirklich gut und flüssig lesbar, ich bin flott mit dem Lesen vorangekommen. Allerdings war sie gleichzeitig auch etwas gestelzt und zu einfach. Mir werden zu viele Vorgänge zu detailliert beschrieben, die Dialoge wirken häufig nicht sehr lebendig und zu langatmig. Die Protagonisten sprechen teils miteinander, als würden sie ständig mit einem Kind reden, obwohl ein erwachsener Gesprächspartner gegenübersteht. Das hat zwar nicht direkt meinen Lesefluss getrübt, allerdings hat es mich ganz schön gestört und immer wieder bin ich über Sätze gestolpert, die ich als zu viel empfand. Manches hätte leicht gekürzt werden können, um der Geschichte einen kleineren Rahmen zu geben.

Es gibt mehrere Erzählperspektiven, wobei meistens Florence oder ihr Vater Benno ihre Sicht der Dinge geben. So entsteht ein wenig Abwechslung, was gut zu der turbulenten Zeit passt. Man kann schauen, wie die Personen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beurteilt werden und sich von ihnen ein ausführliches Bild machen.

Für mich war an keiner Stelle im Buch ein Hauch von Stimmung spürbar. Jegliche Situationen habe ich mit Distanz und ohne jegliche Emotionen betrachtet, mir war es einfach nicht möglich, zu vielen Figuren einen Zugang zu finden, zudem finde ich, dass die Handlung auch recht nüchtern und steif beschrieben wurde. Die Protagonisten neigen nicht wirklich zu Gefühlsausbrüchen, es gibt keine Szenen, die auch nur ansatzweise berührend sind. Und daher lässt mich die Stimmung ein wenig zwiegespalten zurück, einerseits mag ich den nüchternen Erzählstil, gleichzeitig war es mir zu distanziert. Vielleicht ist es mir nämlich deshalb so schwer gefallen, zu den Hauptpersonen eine Bindung aufzubauen.

Es werden vor allem anhand der Lebensweise der Personen und wie der Krieg sie beeinflusst, historische Hintergründe vermittelt. Man kann sehen, was unerwünscht war, für welche Aktionen die Figuren mit möglichen Strafen rechnen mussten und wie die Versorgungslage aussah. Darüber kann man sich am Ende ein gutes und solides Bild machen, hier zeigt sich, dass der Autor weiß, wovon er schreibt und seine Aussagen wirken realitätsnah.

Dazu steht noch der medizinische Aspekt im Vordergrund. Florence ist Ärztin, möchte in Deutschland ihrem Beruf und gleichzeitig auch ihren Forschungen nachgehen. Hier erfährt man allerhand über ihre Überlegungen, mögliche Erfolge und Niederlagen. Ich fand es daher schade, dass dieser Punkt mit zunehmender Handlung immer mehr in den Hintergrund rutscht, er irgendwann gar nicht mehr vorkommt.

Die Spannung im Roman ist ein schwieriges Thema. Weshalb? Sie kommt gar nicht vor. Nie. An keiner Stelle nimmt die Handlung Fahrt auf, es spitzen sich Situationen nie so zu, dass man daraufhin unbedingt wissen möchte, wie es weitergehen könnte. Ich denke, dass dieser Punkt stark mit der distanzierten Erzählweise, aber auch der Tatsache, dass ich einfach keinen Zugang zu vielen Personen gefunden habe, einhergeht.

Szenen, in denen ein wenig Spannung entstehen könnte, sind mir zu locker beschrieben, ihnen fehlt ein gewisser Ernst, der teilweise sehr angebracht gewesen wäre. Häufig sind die Protagonisten zu leichtfertig und trotzdem gehen kritische Situationen am Ende immer gut aus. Das ist auf Dauer zu eintönig und daran leidet schließlich auch die Glaubwürdigkeit.

Ich mochte die Beschreibungen des Settings gern. Sie sind eindrücklich und mit klaren Worten umzeichnet, haben Besonderheiten erhalten und wirken realistisch. Zu jedem Gebäude hatte ich Bilder vor Augen und konnte mir dieses auch ziemlich farbenfroh vorstellen. Zumindest am Anfang, bevor der Zweite Weltkrieg beginnt. Den je weiter dieser fortschreitet und je mehr die Stadtbilder davon geprägt sind, desto trister und grauer erscheinen die Handlungsorte. Das empfand ich als ziemlich passend, schließlich werden dunkle Zeiten beschrieben, die die Figuren miterlebt haben.

Mich lassen die Protagonisten zwiegespalten zurück. Einen Teil von ihnen mochte ich ganz gern, die Personen allerdings, die ganz klar im Fokus stehen, fand ich ein wenig schwierig. Für mich standen Florence, Benno und Vicki ganz klar im Vordergrund und das finde ich ein wenig schade. Sie sind weder sonderlich sympathisch, noch authentisch aufgetreten. Im Gegenteil, sie wirkten steif und ziemlich blass, ihre Handlungen und Aussagen waren mir nicht lebendig genug. Die drei Personen zeigten sich nicht vielseitig genug, sie gaben nur eine Facette von sich preis und waren daher nicht sonderlich abwechslungsreich. Auf Dauer wurde mir all das zu eintönig und es hat verhindert, dass ich auch nur ansatzweise einen Draht zu den Figuren gefunden habe.

Deutlich sympathischer, wenn auch nicht perfekt, empfand ich stattdessen die Truppe vom Kiez. Dies Personen waren richtige Typen, die einzigartig sind und mir am Ende mehr im Gedächtnis bleiben werden als die drei zuvor genannten Protagonisten. Ich mochte ihr Auftreten, ihre kleinen Weisheiten und hätte mir gewünscht, dass sie mehr im Mittelpunkt der Geschichte stehen würden.

Fazit

Also so richtig gut fand ich den Roman leider nicht. Immer wieder gab es Punkte, die mir einfach nicht zugesagt haben. Und daher bin ich leider ziemlich enttäuscht von der Fortsetzung. Es war eine ganz nette Lektüre, die aber einfach nicht mitreißend, spektakulär, abwechslungsreich oder unglaublich interessant war. Meist ist die Handlung vor sich hingeplätschert und es gab keinen einzigen Punkt, an dem die Spannung ein gutes und einnehmendes Niveau hatte. Die Personen betrachte ich zum Teil ebenfalls kritisch, genau wie die Stimmung und sogar die Schreibweise empfand ich als nicht richtig ausgereift. Meine Erwartungen sind leider auf der Strecke geblieben, ich bin von dem Buch nicht sonderlich überzeugt und es wird mir nicht lange im Gedächtnis bleiben...

Bewertung: 2 von 5 Sterne

 
MarySophie
 
Vielen Dank an den Aufbau Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.
 

Meine Meinung zum ersten Band der Reihe:


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