Titel: Die Schule am Meer
Autorin: Sandra Lüpkes
Verlag: Kindler
Seitenzahl: 576 Seiten
Preis: 22,00 €
Erscheinungsdatum: 10.03.2020
ISBN:
978-3-463-40722-7
Handlung:
Juist 1925
Eine Gruppe von ambitionierten Lehrern
hat sich zusammengeschlossen und auf der Insel Juist ein altes
Anwesen gekauft, welches sie in ein Internat umwandeln. Dieses wollen
sie zusammen mit ihren Schülern verschönern und nach und nach
erweitern. Aber auch die Bildung bleibt nicht auf der Strecke: die
Schule soll reformiert werden, persönliche Stärken werden
hervorgehoben und so soll den Schülern ein besserer Start ins
spätere Berufsleben gegeben werden.
Verschiedene Personen werden auf diesem
Weg begleitet, anhand von Eduard Zuckmayer und der Jüdin Anni Reiner
gibt es Einblicke in den Lehreralltag, der zehnjährige Schüler
Maximilian berichtet sowohl von positiven, als auch von negativen
Aspekten und die Insulanerin Kea, welche in der Schule am Meer als
Köchin arbeitet zeigt nicht nur ihre Meinung deutlich, sondern
bildet die Verbindung zu den anderen Insulanern. Den diese sind nicht
vollends von dem Konzept begeistert, es gibt einige negative Stimmen,
die einen Fortbestand der Schule unterbinden möchten. Und auch der
langsam aufkommende Nationalsozialismus erschwert vielen Bürgern das
Leben...
Meinung:
Das Cover ist wunderbar zeitgemäß und
ansprechend. Ich finde die Farben sehr passend und mag die
Schlichtheit, mit der der Titel, sowie der Name der Autorin gedruckt
wurden. Ich kann selbst nicht benennen wieso, aber es erscheint mir
genau richtig für die Geschichte.
Am unteren Rand gibt es eine Fotografie
von einer Gruppe junger Mädchen. Allesamt tragen Schwimmkleidung und
schauen mehr oder minder begeistert in die Kamera. Ich gehe mal davon
aus, dass es sich hierbei um Schülerinnen der Schule am Meer
handelt. Ich finde es sehr passend, dass solch eine Fotografie
eingebunden wurde. Es verbreitet viel Charme und lässt das Cover
sehr authentisch wirken.
Ich habe einige Zeit überlegt, ob ich
das Buch wirklich lesen möchte, ob es meinen Geschmack treffen
könnte oder ob ich mich am Ende quälen würde, weiterzulesen. Es
klang zwar ziemlich interessant, zudem hatte ich von dieser Schule
noch nie etwas gehört. Doch gleichzeitig war ich mir unsicher, ob
mich die Thematik so anspricht. Am Ende habe ich mir gedacht, dass
ich durch das Buch nur schlauer werde und der Geschichte eine Chance
gegeben. Und darüber bin ich am Ende mehr als froh!
Auf den Umschlaginnenseiten wurden
allerhand Bilder gedruckt, die verschiedene Tätigkeiten, sowie
Schüler und Lehrer der Schule am Meer zeigen. So kann man sich nicht
nur das Setting noch besser vorstellen, sondern erhält auch einen
Blick auf die Schulmode und Lehrer. Bei einigen Personen habe ich
mich gefragt, ob sie die Person sein könnten, für die ich sie
halte. Auf jeden Fall ist das ein sehr schönes Detail, welches eine
einführende Funktion hat und unglaublich angebracht ist. Zudem finde
ich, dass sich schon durch so kleine Details zeigt, wie viel und gut
die Autorin recherchiert hat.
Vor dem Beginn der Handlung wurde
außerdem ein Lageplan eingefügt, der die wichtigsten Gebäude der
Schule am Meer auf einer kleinen Karte vermerkt. So kann man bei den
Erwähnungen von den Häusern stets darauf zurückgreifen und sich so
orientieren. Es wurden auch Nebengebäude eingezeichnet, sodass man
sich ein wirklich gutes Bild machen konnte. Eine wichtige Hilfe,
ansonsten wäre es mir schwer gefallen, die Gebäude zu verorten.
Für mich wäre es gerade zu Beginn des
Buches eine große Hilfe gewesen, wenn es am Anfang ein
Personenverzeichnis gegeben hätte. Ab und an tauchten innerhalb von
kurzer Zeit einige Namen von Personen auf, die nicht so häufig einen
Auftritt haben und die man dann ganz schnell ans Ende des
Gedächtnisses verschiebt. Eine Aufzählung der handelnden Personen
hätte immer schnell Abhilfe geschaffen und die Person wieder in
Erinnerung gerufen. Und aufgrund der recht großen Anzahl an
Protagonisten wäre es durchaus sinnvoll gewesen.
Der Prolog lässt sich erst mit dem
Lesen des Epilogs verorten und macht in diesem Zusammenhang einen
richtigen Sinn. So ist zwar erkennbar, dass dieser einige Jahre nach
der eigentlichen Handlung spielt, doch es lässt sich nicht
herauslesen, welche Person in der Ich-Form spricht. So kann man zu
Beginn schon mal rätseln, wer diese Figur sein könnte, ich kann
sagen, dass ich mit meiner Vermutung falsch lag.
Direkt danach beginnt die
Hauptgeschichte, man reist mit Anni Reiner und ihren Töchtern
zusammen nach Juist. Es gibt einen ersten Blick auf ihre Wesen und
ich mag es sehr, dass man die Insel zeitgleich mit ihr erstmals
betritt. Auch in Zusammenhang mit dem Ende wird die Geschichte so
sehr rund und ich habe mich dadurch ihrem Charakter vertrauter
gefühlt.
Schnell hat mir die Schreibweise sehr
gut gefallen. Sie ist auf eine besondere Weise hochtrabend, aber
nicht zu kompliziert oder gewichtig. Ich konnte der Handlung stets
ohne Probleme folgen und das Buch ließ sich sehr flüssig lesen.
Fast durchweg wurde die Handlung recht
ruhig und gelassen geschildert, es gibt nicht ständig irgendwelche
Dramen oder aufregende Vorkommnisse. Diese waren eher rar gesät und
ließen dann natürlich den Spannungsbogen stark steigen. Ich mochte
diese natürliche Art. Es passte zu der Geschichte und oft ließ sich
das Buch wie ein sehr informatives und anschauliches Tagebuch von den
verschiedenen Personen lesen. So hatte ich immer den Eindruck, diesem
Teil der Geschichte aktiv beizuwohnen und nicht viele, viele Jahre
danach davon zu lesen.
Eine besondere Stimmung kam bei mir
leider nicht auf. Lediglich am Ende der Epilog wurde etwas
emotionaler gestaltet, ansonsten habe ich nicht so mit den
Charakteren mitgefühlt wie bei anderen Büchern. Dafür wurde die
Handlung zu einfach und emotionslos geschildert. Mich hat das nicht
sonderlich gestört, ich glaube einfach nicht, dass herzzerreißende
Szenen zu der Geschichte gepasst hätten. Irgendwie kann ich das
nicht in Einklang bringen, weshalb ich die fehlenden Stimmungen nicht
als Kritikpunkt werte.
Es findet eine Unterteilung in Kapitel
statt, dies ist auch die einzige Möglichkeit, die Geschichte in der
Zeit zu verordnen und zu erkennen, in welchem Jahr die folgende
Handlung stattfindet. Ansonsten ist nur eine Einordnung in die
Jahreszeit möglich, dazu gibt es allerhand kleine Anmerkungen wie
das Wetter ist, wovon man sich einiges ableiten kann.
Stets wird die Geschichte von einem
allwissenden Erzähler wiedergegeben und erzählt. Nicht nur die
Lehrer erhalten eine Stimme, sondern auch verschiedene Schüler, die
Insulanerin und Köchin Kea oder ein offener Feind der
Bildungseinrichtung. So gibt es verschiedene Blickwinkel, die alle
ihren Reiz haben und ein lebendiges Bild der Gesellschaft geben.
Zudem mochte ich die Mischung von Insulanern und Zugezogenen und
deren Differenzen. Das wirkte sehr authentisch und ich konnte mir
lebhaft vorstellen, mit was für negativen Aussagen und Meinungen die
Schule leben musste.
Auch den Einblick in die Gedanken der
Charaktere fand ich sehr interessant. Es wird ein vielfältiges Bild
dargestellt, man kann vieles besser nachvollziehen und versteht
manche Motivationen besser. Besonders interessant empfand ich es, den
Schülern und dem erklärten Feind der Schule in den Kopf zu blicken
und mehr über deren Meinungen zu erfahren. Sie hatten teils einen
offeneren Blick als die Lehrer und es war spannend zu beobachten,
inwiefern sich diese Art der Schule auf die Schüler auswirkt.
Ich hätte mir noch gewünscht, dass
manche Motive der Protagonisten besser aufgelöst oder beschrieben
worden wären. Bei manchen tappt man im Dunklen und auch nach dem
Beenden der Lektüre kann ich mir davon noch nicht so recht ein Bild
machen. Ich kann dazu leider kein Beispiel geben, um nichts von der
Handlung zu verraten und mir fällt auch keine Umschreibung ein, die
nicht zu viel vorwegnimmt.
Ab und an wird eine gewisse Zeit
übersprungen, über die man auch im Folgenden nicht viel erfährt.
Wichtige Details werden in die weitere Handlung eingeflochten und
tauchen meist auch nicht direkt auf, sondern erst nach einigen
Seiten. Normalerweise stört mich so was meist, ich mag immer gerne
wissen, was genau in dem Leben der Figuren passiert. Hier hat es zu
der Geschichte gepasst, es geht oft nicht so sehr um die einzelnen
Protagonisten, sondern um die Charaktere als Einheit. Zudem hätten
weitere Informationen über die übersprungene Zeit gewiss den Rahmen
gesprengt und dem Buch noch einige Seiten mehr beschert (die ich
trotzdem mit Freude gelesen hätte!).
Tatsächlich hatte ich zuvor noch nie
von der Schule am Meer gehört. Ich bin bisher weder im Unterricht,
noch in einem Buch darüber gestolpert. Mit diesem Buch habe ich also
absolutes Neuland betreten und konnte meinen Horizont ganz schön
erweitern.
Ich fand es etwas schade, dass es nur
recht oberflächliche Einblicke in den Unterrichtsalltag gibt. Es
wird viel beschrieben, was auf dem Lehrplan steht, aber ich hätte
gerne noch einen tieferen Einblick bekommen. Und sei es nur eine
Stunde gewesen, die detaillierter beschrieben wird. Gleichzeitig mag
es auch schwer sein, sich so genau vorzustellen, was und wie
unterrichtet wurde.
Im Gegensatz dazu gibt es zahlreiche
Beschreibungen des Internatslebens. Angefangen von der Aufteilung der
Zimmer und Häuser, über die verschiedenen Kameradschaften, Ausflüge
und Ereignisse. Man konnte sich so ein ziemlich genaues Bild von dem
Leben auf Juist machen, welche Ansprüche gestellt wurden und wie das
ganze Zusammenleben war.
Aus diesen Sätzen hat sich auch
deutlich herauslesen lassen, wie unglaublich viel Recherche
dahintersteckt. Es hatte alles Hand und Fuß, war auf den Punkt
erklärt und ließ mir gar keinen Platz zu möglichen Zweifeln.
Auch politische oder soziale Ereignisse
fanden immer wieder Erwähnung und haben so einen Blick auf die
deutsche Geschichte gegeben. Sei es der aufkommende und sich immer
weiter ausbreitende Nationalsozialismus oder auch die Bildung von
anderen Reformschulen in Deutschland. Oft tauchen kleine Details in
den Sätzen mit auf, die man als natürlich hinnimmt und die einen
weiten Blick auf die Situation geben.
Fast durchweg dient die Insel Juist als
Setting. Ich hatte ganz oft Bilder vor Augen und konnte mir sowohl
die Insel, als auch die Schule am Meer mit all ihren Gebäuden, die
nach und nach gebaut wurden, unglaublich gut vorstellen. Manchmal
hatte ich das Gefühl, das Rauschen der Wellen zu hören, die
Meeresluft zu erschnuppern oder den Sand unter den Füßen zu spüren.
Ich konnte mich unglaublich gut auf die Insel einlassen, mich in
Gedanken dorthin versetzen und einfach nur genießen. Es gab keinen
Moment, an dem mir etwas vom Setting unrealistisch erschien und es
ist der Autorin mehr als gelungen, die Schönheit der Insel mit
eigenen Worten auf eine lebendige und authentische Weise zu
beschreiben.
Auf eine sehr geschickte Art schafft es
die Autorin, fiktive und reale Persönlichkeiten zu vermischen und
allen sehr lebendige Züge zu geben. Auch die Protagonisten, die nur
selten auftauchen haben eine besondere Art und stechen hervor.
Am spannendsten war stets die
Entwicklung der Protagonisten. Besonders bei Maximilian ließ sich
das verfolgen, er wurde von einem Jungen zum Mann mit eigener Meinung
und eigenen Zielen. Seine Entwicklung war wirklich imposant und er
schien am Ende auf eine ganz angenehme Art über den Dingen zu
schweben. Er hatte für mich so eine alte Seele, die ihn weise und
sehr erwachsen hat wirken lassen. Ich fand seinen Charakter durchweg
am interessantesten, ich konnte seine Meinungen am besten
nachvollziehen und irgendwie hat er mir imponiert.
Von den Lehrern hat mir Anni am besten
gefallen. Sie hatte eine freundliche und stets verständnisvolle Art
und ich mochte es sehr, wie sie sich für ihre Mitmenschen eingesetzt
hat. Auch ihr Denken unterschied sich von den anderen. Anni hatte an
manchen Vorhaben Zweifel und konnte eine Situation reflektiert
beobachten und ihre Schlüsse daraus ziehen. Sie ist mit vollem Elan
an dem Gemeinschaftsprojekt der Schule am Meer, betrachtet die Sache
aber auch mal mit Abstand.
Obwohl auf dem Internat recht lockere
Regeln gelten, sind mir die anderen Lehrer doch teils recht steif
aufgetreten. Sie hatten nicht so herzliche Züge wie gedacht wirkten
erhabener. Ich möchte ihnen nicht ihre pädagogische Kompetenz
absprechen, doch ich stelle es mir schwierig vor, sie als eine Art
Elternersatz anzusehen und bei Problemen oder Ängsten zu ihnen zu
gehen.
Fazit:
So recht lässt mich das Buch auch zwei
Tage nach dem Beenden nicht los. Ich habe mittlerweile einige Artikel
im Internet dazu gelesen und mich weiter informiert. Meine
anfänglichen Zweifel waren vollkommen unbegründet, das Buch ist
etwas ganz besonderes, welches noch lange im Gedächtnis bleiben
wird. Mich hat die Geschichte unglaublich interessiert und ich konnte
das Buch nur schwer aus der Hand legen. Die Geschichte war
unglaublich lebendig und die Mischung aus realen Figuren und Fakten
mit fiktiven Personen hat mehr als hervorragend funktioniert.
Trotzdem werde ich einen halben Stern
in meiner Bewertung abziehen. Dieser steht stellvertretend für all
die kleinen Dinge, die ich bereits erwähnt habe, vor allem aber
wegen der fehlenden Herzlichkeit bei den Lehrern.
Ich bin mir sicher, dass ich das Buch
noch viele Male weiterempfehlen werde und es immer einen schnell
greifbaren Platz in meinem Bücherregal haben wird. Auf seine Art hat
mich das Buch wirklich begeistert!
Bewertung: 4,5 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Rowohlt Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.