Titel: Gezeitenstürme
Autorin: Marlies Folkens
Verlag: Lübbe
Seitenzahl: 623 Seiten
Preis: 10,00 €
Erscheinungsdatum: 27.03.2020
ISBN: 978-3-404-18086-8
Handlung:
Herbst 1944
Eigentlich hat die 15-jährige Elli
keine Geheimnisse. Bis sie einen Soldaten, der kaum älter ist als
sie selbst, auf dem Heuboden des elterlichen Hofs findet und ihm
verspricht, ihn nicht zu verraten. Georg ist desertiert und möchte
nicht wieder zurück an die Front.
Doch trotz ihrer Bemühungen gelingt es
Elli nicht, das Geheimnis für sich zu behalten und ihr Vater willigt
ein, den Jungen bei sich auf dem Hof zu lassen. Aus einer
Verbundenheit zwischen Elli und Georg entsteht erst eine starke
Freundschaft, die sich schließlich zu einer zarten Liebe entwickelt.
Trotzdem behält Georg viele Details aus seinem Leben für sich und
gibt nur wenig über seine Vergangenheit preis. Nur mit einer
Leidenschaft geht er offen um: mit seiner Liebe zur Musik. Und genau
diese steht nach dem Kriegsende zwischen den jungen Paar...
Meinung:
Das Cover ist idyllisch und zeigt eine
schöne Landschaft, die gleichzeitig stark an das Cover des anderen
Bandes der Nordsee-Saga erinnert. Wieder sind Dünen, sowie das Meer
und ein niedliches Häuschen zu sehen, diesmal befinden sich aber
zwei Damen auf dem Cover. Hier sehe ich nicht ganz durch, wer soll
die zweite Frau sein? Ich könnte mir vorstellen, dass es sich auf
jeden Fall um Elli handeln könnte, doch keine zweite weibliche
Person steht so stark im Mittelpunkt wie sie und würde ein
Auftauchen auf dem Titelbild rechtfertigen.
Erst vor kurzem hatte ich den zweiten
Teil der Nordsee-Saga gelesen, ich war tatsächlich fest davon
überzeugt, dass es sich dabei um den ersten Teil handelt. Doch es
war gar ein Problem, es wurde nichts gespoilert und die Bücher
lassen sich prima unabhängig voneinander lesen. Es gibt ab und an
ein paar kleine Details, die man in einen Zusammenhang stellen
könnte, doch sie sind für die Geschichte nicht entscheidend und
geben nichts vorweg.
Mir ist der Einstieg in diesen Teil
viel leichter gefallen. Ich weiß selbst nicht woran es lag,
vielleicht weil ich den Protagonisten vom Alter näher bin oder weil
die Geschichte direkter gestartet ist. Es gibt nicht erst lange
Abschnitte, sondern Georg taucht recht schnell in der Geschichte auf
und wird ein fester Bestandteil dessen. Zudem fand ich Elli anfangs
sehr interessant, ich mochte ihren Charakter und war besonders von
ihrem Fleiß und ihrer Arbeitskraft beeindruckt. Sie schien
unermüdliche Energie zu haben und war mir direkt sympathisch.
Auch die Schreibweise hat mir gut
gefallen. Sie war einfach und leicht verständlich, ich habe das Buch
leicht lesen können und hatte besonders an diversen
Landschaftsbeschreibungen großes Vergnügen. Auch konnte ich mir die
Gebäude richtig gut vorstellen und mochte die Darstellung von Elli
und ihrer Familie.
Immer mal wieder werden norddeutsche
Kosenamen und Bezeichnungen eingebunden, die einen angenehmen Effekt
auf die Handlung haben und sehr natürlich wirken. So entsteht eine
sehr ansprechende Schreibweise, die sich gut lesen lassen hat und zu
der meist lockeren Handlung gepasst haben.
Ich war überrascht davon, dass es
diesmal eine zweite Zeitebene gibt. Diese findet im Jahr 1949 statt
und lässt sich nicht sofort in die Handlung einordnen. Man hat viel
Platz für Vermutungen und sie erhöht die Spannung. Zudem gab es so
eine Abwechslung zu der normalen Handlung und ein wenig habe ich auf
diese Abschnitte hingefiebert, einfach um den ganzen Sachverhalt zu
verstehen und dieses Geheimnis aufgedeckt zu bekommen.
Doch so sehr ich diese Zeitebene
mochte, blieben trotzdem einige Fragen, die nicht wirklich
beantwortet wurden. Leider kann ich darüber nicht zu viel verraten,
sonst würde ich zu viel von der Handlung vorwegnehmen, doch manches
war für mich nicht perfekt erklärt und aufgelöst.
So erstreckt sich die Handlung auf
knapp fünf Jahre, sie beginnt kurz vor dem Kriegsende im Jahr 1944
und endet 1949. Der eine Erzählstrang wird immer klar
herauskristallisiert, es gibt bei dem im Jahr 1949 immer eine kurze
Erwähnung der Jahreszahl am Anfang des Kapitels, so kann es gar
keine Missverständnisse geben. Mir hat es bei der Handlung im Jahr
1944 und folgend etwas gefehlt, dass es nicht viele Hinweise auf die
Jahreszahl gibt und man so einen besseren Überblick darüber
bekommt, sich einfach besser orientieren kann. Es gibt zwar die
Erwähnung auf manche Feste und das Wetter, wovon man sich einiges
ableiten kann, doch mir hat das nicht gereicht.
Mir hat es richtig gut gefallen, wie
viele historische Details eingebunden wurden. Nicht nur die Angst vor
dem Krieg, das Leben von Flüchtlingen und das Desertieren von
Soldaten, sondern auch der Schwarzmarkthandel und die Nachkriegszeit
mit dem Nahrungsmangel finden eine Erwähnung. So ergibt sich ein
breitgefächertes Bild, welches viel Wahres in sich birgt und einen
soliden Grundstamm für eine gute Geschichte legt. Ich mochte es
sehr, dass anhand von anschaulichen Beschreibungen so viel
Authentizität in die Geschichte gelegt wird und man so auf eine
angenehme und gut vorstellbare Weise die Informationen übermittelt
bekommt.
Als Setting dient vor allem der
Bauernhof der Familie Bruns, dazu gibt es noch einige Szenen am Meer,
in der Kirche oder bei Freunden. Doch das Hauptaugenmerk liegt
eindeutig auf dem Hof, dieser ist mit vielen Worten beschrieben
wurden und ich hatte schon nach wenigen Seiten ein erstes Bild davon,
welches sich immer weiter verstärkt hat und immer farbenfroher und
lebendiger wurde. Ich konnte mir vor allem die Küche mit der Essecke
sehr gut vorstellen, ich mochte die Zusammentreffen der Familie Bruns
unglaublich gerne, sie wirkten dort am natürlichsten und ich mochte
die Dynamik, die untereinander herrschte sehr gerne!
Zum anderen gab es einige wunderschöne
Beschreibungen der See, sie wurde mit leuchtenden Worten beschrieben,
sodass ich mir dies immer deutlich vorstellen konnte. Außerdem bin
ich ein bisschen der Meinung, dass dort immer einige Schlüsselmomente
stattgefunden haben und man die Charaktere von einer weicheren und
verletzlicheren Seite zu sehen bekommen hat.
Es gibt einen langsamen
Spannungsaufbau, man merkt, dass sich langsam aber sich etwas
zusammenbraut. Doch dabei entstehen leider ab und an Längen, einige
Szenen verlängern das Buch nur unnötig. Sie sind zwar nett zu
lesen, es wird das normale Leben von Bauern, einer jungen Liebe und
dem Alltag zu und nach Kriegszeiten erzählt. An sich finde ich das
auch spannend und ich mag es, wenn nicht dauernd Dramen eingebaut
werden. Doch hier waren es mir ein paar zu viele dieser Erzählungen,
sie haben nicht zwingend zu dem Weitergang der Geschichte beigetragen
und erschienen etwas unnötig.
Gerade durch die Einstreuung von
Szenen, die im Jahr 1949 spielen und bereits erste Vermutungen
zulassen, die ganze Situation aber nicht auflösen und so die
Aufmerksamkeit ankurbeln, bin ich immer weiter am Ball geblieben.
Teilweise habe ich darauf gewartet, dass es weitere Informationen zu
der Situation gibt, in der sich Elli gerade befindet. Doch diese
Szenerie wird erst am Ende aufgelöst und so habe ich trotz einiger
Längen mit viel Interesse weitergelesen.
Die Darstellung der Protagonisten war
meist sehr gelungen. Es gibt allerhand verschiedene Charaktere, die
sich eindeutig voneinander unterscheiden. die nicht alle sympathisch
erscheinen oder in denen man sich auch leicht täuschen kann. Es ist
dem Leser selbst überlassen, wie man einen Protagonisten einschätzt
und die Sympathie wird nicht in eine bestimmte Richtung gelenkt.
Mir hat stets die Familie Bruns mit
ihren verschiedenen Wesen am besten gefallen, nicht nur die Dynamik
mochte ich gerne, sondern auch, wie die damals innerhalb einer
Familie typische Hierarchie dargestellt wurde. Sie wirkte realistisch
und wurde sehr anschaulich beschrieben, sodass man gar keinen Zweifel
daran haben muss, dass es genau so damals abgelaufen ist.
Tatsächlich hatte ich während manchen
Szenen das Gefühl, dass die Familie nicht nur erdacht ist, sondern
genau in diesem Moment so versammelt am Esstisch sitzen könnte und
eine Mahlzeit einnehmen, Probleme bereden oder einer Tätigkeit
nachgehen.
Als Hauptprotagonistin steht Elli im
Mittelpunkt. Ich mochte ihre Art sehr gerne, sie ist ein
sympathisches Mädchen, welches nicht nur freundlich auftritt,
sondern auch unglaublich fleißig ist und sich für keine Arbeit auf
dem elterlichen Hof zu schade ist. Manchmal war mir Elli zu impulsiv,
sie hat ihre Emotionen teils einfach raus gelassen und nicht über
mögliche Folgen nachgedacht. Zudem änderte sich ihr Wesen, sie
wurde reifer und manche Aussagen und Handlungen habe ich kritisch
hinterfragt. Am Ende war sie mir nicht mehr so angenehm wie noch am
Anfang, trotzdem fand ich Elli ganz interessant und empfand sie als
gute Seele.
Georg blieb mir immer etwas blass. Er
hatte ebenfalls zahlreiche Charakterzüge erhalten und nach und nach
erfährt man auch ein paar Details aus seinem Leben vor dem Krieg. So
kann man sich ein recht gutes Bild seines Wesens machen, ihn
einschätzen und bewerten. Und oft fand ich Georg merkwürdig, er
schien mir nicht immer aufrichtig und ich hatte stets das Gefühl, er
ist nicht der sympathische Kerl, für den er sich gern darstellt.
Fazit:
Im Großen und Ganzen ein guter erster
Teil der Nordsee-Saga, es gibt eine recht spannende Handlung, mit
vielen, ganz wunderbar erklärten Details über historische
Zusammenhänge. Zudem mochte ich das Setting gerne, ich habe den
Bruns-Hof sehr lebendig vor Augen gehabt und konnte mir viele
Protagonisten in diesem Setting richtig gut vorstellen. Und auch die
Familie Bruns waren tolle Charaktere, die sehr individuell waren und
die ich gerne auf ihrem Lebensweg ein Stück begleitet habe.
Es gibt kleine Kritikpunkte, am
schwersten wiegt für mich die Länge des Buches, wodurch sich manche
Szenen etwas gezogen haben und fast schon zu viel des Guten waren.
Einiges hätte durchaus weggelassen werden können und die Handlung
wäre immer noch rund gewesen und man hätte nichts wichtiges
verpasst.
Bewertung: 4 von 5 Sternen
MarySophie
Vielen Dank an den Bastei Lübbe Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!
Diesen Post kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung.
Interesse? Hier findet ihr den Roman!
Meine Rezension zu Band 2: Inseltochter
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Meine Rezension zu Band 2: Inseltochter
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